Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)
beliebt –, muss ich an ihrer Stelle sprechen, entscheiden und handeln.« Der samsamesische Regent und Graf von Pesavolta brummelten missmutig und rutschten auf ihren Sitzen hin und her. »Rat Dombegh! Erklärt die Rechtslage!«, befahl Glisselda.
Mein Vater räusperte sich. »Als Königin Favonia die Zweite einen Schlaganfall erlitt, übernahm Prinzessin Annette vorübergehend ihre Ämter, bis die Königin wieder genesen war. Niemand in Goredd würde Eure Rechte in Frage stellen, Hoheit.«
»Ihr seid aber erst fünfzehn Jahre alt«, sagte Graf Pesavolta. Sein rundes Gesicht lächelte, aber sein Blick war unerbittlich. »Nichts für ungut.«
»Königin Lavonda war erst siebzehn, als sie den Vertrag mit mir abschloss«, sagte Comonot völlig unerwartet. Er legte die Hände auf die Knie, an jedem Finger trug er mehrere Ringe, die von den Quigs stammten. Sie funkelten wie ein kleiner Schatz vor dem Hintergrund seines dunkelblauen Wappenrocks.
»Ihre Jugend entschuldigt ihre Narrheit nicht«, sagte der samsamesische Herrscher und warf ihm über seine schmale Nase hinweg einen scharfen Blick zu.
Comonot überhörte diese Bemerkung, er sprach nur mit Glisselda. »Sie war damals schon Königin aus eigenem Recht. Sie war schon Mutter. Sie hat inmitten eines tosenden Schneesturms den Gebirgspass erklommen, lediglich von zwei Ziegenhirtinnnen aus Dewcomb begleitet. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ein vernünftiges Wesen einem solchen Unwetter trotzen würde, deshalb war ich nicht in meiner menschlichen Gestalt, um sie willkommen zu heißen. Meine Kundschafter brachten sie in unsere Höhle, dieses kleine, halb erfrorene Mädchen in einem Schneegestöber. Wir starrten sie alle entgeistert an und wussten nicht, was wir davon halten sollten, bis sie ihre pelzverbrämte Kapuze abnahm und den Wollschal vom Gesicht zog. Sie blickte mir in die Augen, und da wusste ich es.«
Nach einer langen Pause fragte Glisselda: »Was wusstet Ihr, Ardmagar?«
»Dass ich eine Gleichgesinnte gefunden hatte«, sagte Comonot ernst.
Glisselda nickte, ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie streckte die Hand aus und Kiggs reichte ihr das gefaltete Pergamentblatt. »Wir haben heute Morgen einen Brief erhalten. Botschafter Fulda, würdet Ihr ihn bitte vorlesen?«
Der Botschafter fischte eine Brille aus seiner Weste und las:
Wir, die Unterzeichneten, haben gestern die Kerama übernommen. Wir erklären uns hiermit als die rechtmäßigen Herrscher über Tanamoot sowie all seine Länder und Heere und werden uns nur mit Gewalt vertreiben lassen.
Der Verräter Comonot lebt noch. Er wird gesucht wegen der Verbrechen, die er an den Drachen begangen hat. Dies sind insbesondere, aber nicht nur, die folgenden: Abschluss von Verträgen und Bündnissen, die mit unseren Werten und Lebensweisen nicht im Einklang stehen, und dies gegen den Willen der Ker; ausartendes Gefühlsleben; Verbrüderung mit Menschen; Nachgiebigkeit gegenüber Abtrünnigen; Versuch, unsere grundlegende Drachennatur zu verändern und uns zu menschlichen Wesen zu deformieren.
Wir fordern, ihn unverzüglich nach Tanamoot auszuliefern. Eine Weigerung werden wir als Kriegserklärung auffassen. Einwohner von Goredd, seid versichert, dass es keinen Sinn hat zu kämpfen. Also handelt euren Interessen gemäß. Ihr habt drei Tage Zeit.
»Der Brief ist vonzehn Generälen unterzeichnet«, sagte Botschafter Fulda und faltete das Pergament wieder zusammen.
Comonot wollte etwas sagen, aber Glisselda brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Der Drache Imlann, der in Menschengestalt meine Erzieherin gewesen war, hat mir beigebracht, dass Goredd stark ist und die Drachen schwach und mutlos. Ich habe das geglaubt, bis ich mit eigenen Augen gesehen habe, wie Drachen kämpfen: Orma hat die Wolfstoot-Brücke zerstört und die Spitze von Sankt Gobnait hinweggefegt; wo Imlann abgestürzt ist, ist sogar eine ganze Häuserzeile abgebrannt. Wie viel schlimmer wären die Schäden, wenn sie gegen uns und nicht gegeneinander gekämpft hätten? Unsere Dracomachie liegt völlig am Boden. Ich habe das Gefühl, dass die Anführer des Putsches recht haben: Alleine können wir nicht gegen die Drachen bestehen. So sehr ich Euch bewundere, Ardmagar, aber Ihr müsst mir schon einen guten Grund nennen, damit ich Euch nicht ausliefere.«
Sie wartete erst gar nicht eine Antwort ab, sondern fragte Botschafter Fulda: »Werden die gemeinen Drachen auf der Seite des Ardmagar bleiben?«
Der Botschafter spitzte
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