Settlers Creek
Es war ein Fest gewesen. Ein Festmahl. Oder eine Henkersmahlzeit. Es hatte keinen Sinn, zu lange über die letztere Möglichkeit nachzudenken.
Er steckte den Abfall in die Tonne neben dem Tisch und ging zum Wagen zurück. Der Hummerverkäufer beobachtete ihn. Gut, soll er doch. Ich muß mich um entschieden wichtigere Dinge kümmern als um dich, Alter.
Wie man es auch drehte und wendete, ein verdammt schwieriger Tag lag vor ihm.
Vierundzwanzig
Die Fahrt von Kaikoura verlief ruhig. Er hatte die langsamere Route durchs Land genommen, hinter der Seaward Kaikoura Range, durch einige große Schaffarmen, durch Prärien mit Tussockgras und breiten Flüssen, an Bergen und Geröllhalden vorüber.
Nirgends warteten Maori auf ihn. Kein Blaulicht im Rückspiegel. Die Sonne schien.
Hanmer Springs lag in einem Becken östlich der Berge, umgeben von den niedrigen Hügeln eines Vorgebirges. Box fuhr langsam durch den Ort und parkte schließlich vor einer Grundschule. Er überlegte, daß der Pickup dort am wenigsten auffallen würde – der Wagen irgendeines Handwerkers. Als er ausstieg, wurde der Schwefelgeruch der Thermalquelle sofort stärker. Schon als er durch die Allee von Ahornbäumen und Eschen in die Stadt hineinfuhr, hatte er ihn im Auto wahrgenommen, der alte Toyota war alles andere als dicht. Der Mief hing wie der Furz eines Riesen über der ganzen Stadt.
Auf dem Schulhof wühlten vier Kinder mit den Händen im herabgefallenen Herbstlaub, rannten in der Nachmittagssonne lachend hintereinander her und bewarfen sich damit. Drei Jungen und ein kleines Mädchen – »Paßt auf eure kleine Schwester auf«, klang es in seinem inneren Ohr. Die gelben und orangefarbenen Blätter blieben an ihren Kleidern und in ihren Haaren hängen. Obwohl es erst vier Uhr war, griffen die Schatten der Hügel bereits nach dem Schulhof. Box blieb am Schultor stehen und schaute den Kindern länger zu, als gut war. Endlich wandte er sich ab und ging die fünf Minuten ins Zentrum.
Er fand einen Laden, der sich als Supermarkt ausgab, ohne einer zu sein. Mit einem grünen Plastikkorb in der Hand lief er die Gänge auf und ab, bis er alles gefunden hatte, was er brauchte.
Er ging die Straße runter zu den weißen Betonblöcken der öffentlichen Toiletten und trat ein. Der Spiegel über dem Waschbecken bestand aus irgendeinem reflektierenden Metall, das ihm eine verzerrte Version seines Gesichts zeigte, wie auf einem Jahrmarkt. Doch es waren nicht allein der Spiegel oder das harte Licht der Neonröhren darüber, die das Gesicht, das ihm entgegensah, beinahe unkenntlich machten. Er schrak vor seinem eigenen Spiegelbild zurück. Es war das Gesicht eines irren Clowns. Der Bluterguß um sein rechtes Auge sah schlimmer aus denn je. Seine Braue war eine klumpige Masse, die seitlich über sein Gesicht hinausragte. Er konnte einigermaßen gut sehen, aber als er die Gegend um das Auge mit den Fingerspitzen abtastete, stöhnte er vor Schmerz. Bartstoppeln auf seinen Wangen. Er nahm an, daß er stank. Jedenfalls wirkte er wie ein Paria – ein Junkie oder Alkoholiker, ein Penner.
Die Leute begegneten ihm mit Mißtrauen. Das hatte er im abweisenden Gesicht des Jungen gesehen, der ihn vor ein paar Minuten bedient hatte. Und auf dem kurzen Weg von der Schule, als ihm eine Familie entgegenkam, die offenbar im Thermalbad gewesen war, mit nassen, zurückgekämmten Haaren. Sie gingen auf derselben Seite der breiten Straße und trugen ihre Badesachen in Bündeln. Als sie Box bemerkten, legte der Vater seine Hand schützend auf die Schulter seiner Tochter im Teenageralter. Die Mutter war an sie herangerückt. Sie hielten die Augen fest auf den Boden gerichtet, als Box an ihnen vorüberging.
Box blickte noch immer in den Spiegel und versuchte ein schiefes Grinsen. Es bedurfte einiger Anstrengung und trug nichts dazu bei, seine Erscheinung zu verbessern. Womöglich sah er damit sogar noch schlimmer aus – ausgeflippt, ein Kandidat für die Klapsmühle. Wenn er es schaffen wollte, mit Mark nach Governors Bay zurückzukommen, konnte er es sich nicht leisten, auf der Straße aufzufallen.
Er drehte den Heißwasserhahn auf, aber es kam nur kaltes Wasser. Box fluchte laut. Verdammt, mit ihren ganzen heißen Quellen kriegen die es nicht hin, heißes Wasser in ihren Toiletten zu haben? Er schüttete sich kaltes Wasser ins Gesicht und fuhr mit der nassen Hand über die rauhen Stoppeln auf seinem Kopf. Aus der Plastiktüte nahm er eine Dose Rasierschaum und eine Packung
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