Seuchenschiff
damit herum.«
»Ich wollte Sie eigentlich fragen, ob auch andere Mitglieder Ihrer Familie darunter leiden.«
»Ich habe keine Brüder und Schwestern, und auch meine Eltern waren gesund, aber meine Mutter erzählte mir, auch ihre Mutter hätte es als kleines Kind gehabt.«
Passman nickte. »Asthma ist erblich. Ich hätte jedoch erwartet, dass die Seeluft und die Tatsache, dass die Luft hier draußen um einiges sauberer ist, Ihre Symptome deutlich abschwächt.«
»Das hatte ich auch gehofft«, sagte Janni. »Das war zumindest einer der Gründe, weshalb ich den Job als Serviererin auf einem Kreuzfahrtschiff angenommen habe. Nun, das – und auch, um endlich aus einer Kleinstadt herauszukommen, wo es für mich nichts anderes zu tun gab, als Fischerbooten dabei zuzusehen, wie sie aufs Meer hinausfahren und wieder zurückkommen.«
»Sie vermissen sicherlich Ihre Eltern.«
»Ich habe sie vor zwei Jahren verloren.« Ein dunkler Schatten glitt über ihre Augen. »Ein Verkehrsunfall.«
»Das tut mir leid. Sie bekommen aber schon wieder Farbe«, sagte Passman, um das Thema zu wechseln. »Und Sie scheinen auch wieder leichter zu atmen.«
»Heißt das, ich kann jetzt wieder aufstehen?«, fragte Janni.
»Ich fürchte nein, meine Liebe. Die Sauerstoffsättigung Ihres Blutes ist noch immer erheblich niedriger, als mir lieb ist.«
»Ich nehme an, es ist für Sie nicht von Bedeutung, dass das Personal heute eine Party feiert«, sagte sie mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme. Der Uhr an der Wand der Krankenstation zufolge dauerte es bis zum Beginn der Party nur noch ein paar Stunden.
Das Bordfest bot den jüngeren Angehörigen des Hotelpersonals die erste Gelegenheit, ein wenig zu feiern, seit die
Golden Dawn
zwei Wochen zuvor die Philippinen verlassen hatte. Es war für die Kellner, Serviererinnen, Zimmermädchen und die dienstfreie Mannschaft, die aus einigen verteufelt attraktiven Norwegern bestand, der Höhepunkt der Kreuzfahrt. Janni wusste, dass auch einige der jüngeren Passagiere an der Party teilnehmen würden. Es war ein Ereignis, das seit einer Woche in aller Munde war.
»Nein, das ist es nicht«, sagte der Arzt.
Die Tür der kleinen Krankenstation wurde geöffnet, und einen Moment später schwebten Elsa und Karin, Jannis beste Freundinnen auf der
Golden Dawn,
in einer Parfümwolke in den Raum. Sie stammten aus München, waren ungefähr zwei Jahre älter als Janni und arbeiteten seit drei Jahren bei der Schifffahrtslinie. Elsa war in der Konditorei tätig, und Karin arbeitete im Speisesaal in der gleichen Schicht wie Jannike. Sie waren extra gekleidet, um den Männern die Köpfe zu verdrehen. Karin hatte sich für ein schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern entschieden, das ihre weiblichen Rundungen unterstrich, während Elsa ein Polokleid trug und sonst nichts, wie der faltenlos und hauteng anliegende Stoff verriet. Beide waren stark geschminkt und kicherten ausgelassen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Elsa und ließ sich auf die Bettkante sinken, wobei sie Passman völlig ignorierte.
»Neidisch.«
»Bist du noch nicht fit genug, um zur Party mitzukommen?« Ungehalten musterte Karin den Arzt, als sei es seine Schuld, dass sich Jannikes Asthma nicht bessern wollte.
Janni wischte sich die verschwitzten Haare aus der Stirn. »Selbst wenn ich es wäre, hätte ich nicht die geringste Chance, so wie ihr beide euch angezogen habt.«
»Meinst du, Michael gefällt es?« Karin vollführte eine Pirouette.
»Ich denke, ihn trifft der Blitz«, versicherte Elsa ihrer Freundin.
»Bist du auch sicher, dass er kommt?«, fragte Janni und genoss es trotz der Schmerzen in ihrer Brust, am Klatsch teilhaben zu können. Michael war einer der Passagiere, der an dem Tisch saß, an dem sie bedienten. Er war Kalifornier mit blondem Haar, blauen Augen und einem Körper, den ein Leben voller sportlicher Aktivitäten geformt hatte. Das weibliche Personal war sich darin einig, dass er der bestaussehende Mann auf dem Schiff war. Sie wusste außerdem, dass Karin und Michael sich schon bei mehr als einer Gelegenheit nähergekommen waren.
Karin strich ihr Kleid glatt. »Er hat es mir persönlich versprochen.«
Passman mischte sich in ihre Unterhaltung ein. »Macht es Ihnen nichts aus, dass er ein
Responsivist
ist?«
Sie sah den Arzt herausfordernd an. »Ich bin mit vier Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen. Ich glaube nicht, dass es so schlecht ist, keine Kinder zu haben.«
»Responsivismus ist aber mehr, als keine
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