Sex and Crime auf Königsthronen
Adelsresidenzen nördlich der Alpen. Kostbare Wandteppiche, flämische Meisterwerke der Kunst und Silberwerk zieren die Räume. Immerhin muss Anna sich in Sachen Tafelgeschirr und Schmuck nicht verstecken. Ihre von der Mama ererbten Juwelen sind kostbar, und ihre Aussteuer in Form von Luxushausrat ergänzt Wilhelms Schätze perfekt.
Über 200 Menschen leben inzwischen mehr oder minder regelmäßig am Hof des Oraniers. In Sachsen sind es weit weniger. Hinzu kommen in Breda Politgäste, von denen – anders als beim kostenbewussten Kurfürsten von Sachsen – keiner was zu essen mitbringen muss. Den ganzen Tag über stehen in den Schlossräumen Tische mit Leckerbissen bereit. Abends wird musiziert, getanzt, geflirtet und um hohe Einsätze gespielt. Tagsüber geritten, gejagt und turniert. Und diesem prachtvollen Verschwenderhof soll die sechzehnjährige Anna als Fürstin vorstehen?
Nicht wirklich. Selbst Königinnen sind meist dazu verdammt unauffällig mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Aber das weiß Anna noch nicht, und zunächst wird die Fürstenhochzeit nachgefeiert. Über mehrere Wochen, ein Staatsempfang am kaiserlichen Hof zu Brüssel inklusive.
Sie werde gehalten wie eine Königin, schwärmt die junge Fürstin über ihre ersten Wochen als Fürstin von Oranien nach Hause. Das niederländische Leben berauscht sie. Ihr hessischer Großvater schickt als Antwort eine Goldkette, auf deren zehntes Glied ein Bibelwort eingeätzt ist: »Verbum Domini manet in aeternum.« Seine Enkelin soll über dem Feiern nicht Gebet und Abendmahl vergessen. Ähnlich fromme Wünsche erreichen sie aus Sachsen, nur schmuckloser.
Die Wünsche nutzen nicht viel. Religiös gerät sich das gemischtkonfessionelle Paar zwar nicht in die Haare; dafür tut sich rasch die kulturelle und emotionale Kluft zwischen der weltunerfahrenen Kurfürstentochter und dem kosmopolitischen Prinzen auf.
Annas sächsische Hoffräulein – zwei an der Zahl – verlassen nach vier Wochen in Breda und Brüssel gleichsam kreischend vor Empörung die Niederlande. Zurück in Sachsen geben die Teenager zu Protokoll, sie seien verspottet worden, weil sie sich auf die losen Sitten bei Hof nicht eingelassen hätten, »sonderlich sich nicht wollten küssen lassen«. Auch Annas hausbackene Hofmeisterin Sophie von Miltitz streicht nach sechs Monaten die Segel. Anna bleibt allein zurück, mit nichts als den frommen Ermahnungen ihrer Verwandten versehen und mit einem Mann, der sein ausschweifendes Leben wieder aufnimmt.
Die Vorahnungen von Annas Großvater Philipp von Hessen erweisen sich als berechtigt. Wilhelm küsst gelegentlich fremd, und für seine vernarrte Anna bricht ihre Traumwelt zusammen. Zudem ist der Prinz wieder viel unterwegs. Liebesbriefe an die Gattin lässt er diesmal allerdings weg. Sein persönliches Interesse an Anna war schließlich von Anfang an begrenzt. Der Sechzehnjährigen dämmert langsam, dass sie ihm bei allem, was er tut, vornehmlich im Weg ist.
In der Hauptsache muss der Oranier sich dringender denn je um die Politik kümmern. Im Mai 1562 gründet er mit den Grafen Egmont und Hoorn, zwei Freunden und Zechkumpanen, die oppositionelle »Liga«. Gemeinsam wird gegen Kardinal Granvelle, König Philipps ersten Mann in Brüssel, protestiert. Nächtelang werden Pläne geschmiedet. Die Feste und Jagdgesellschaften des Oraniers dienen mehr und mehr dazu, geheime Männergespräche mit dem heimischen Adel zu führen.
Nebenher hat der Statthalter Hollands für seinen König Dienstreisen zu erledigen. Dazwischen ein paar Bordell- und Mätressenbesuche, schwupps ist der Terminkalender voll.
Der Haussegen hängt im Schloss Breda und im Brüssler Palast des Prinzen bereits wenige Monate nach der Hochzeitsfeier ziemlich schief. Was nicht nur Wilhelm, sondern auch viele Forscher Anna jahrhundertelang übel genommen haben.
Was in der Beziehung zwischen Anna von Buren und dem Oranier gelegentliche Eifersuchtsdramen ausgelöst hat, wird für die sächsische Anna zum Gefühlstrauma. Ihr Märchenprinz hält nicht, was er ihr vorgegaukelt und was sie sich versprochen hat. Der Fall von Wolke sieben ist für den gefühlskarg aufgewachsenen Teenager anscheinend abgrundtief.
Nach der überstürzten Abreise ihrer sächsischen Damen findet sie zudem keine neuen Vertrauten am Hof, der ganz um Wilhelm kreist. Damit teilt sie das Schicksal vieler Politbräute, die fern der Heimat verheiratet werden. Anpassung ist gefragt. Doch Anna spricht weder Französisch noch
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