Sex and Crime auf Königsthronen
hören, niemand von ihrer ganzen Verwandtschaft solle ihr einen Gatten aufschwätzen, der ihr nicht gefalle.«
Oranien-treue Forscher haben Annas jugendliche Hartnäckigkeit gern als ersten Hinweis auf ihr »schwieriges Gemüt«, sogar als Hinweis auf ihren späteren Wahnsinn gedeutet. Was reichlich gewagt ist. Richtig scheint aber, dass Anna sich in Liebesdingen gern etwas vormacht, so wie Wilhelm es bei anderen tut.
Mit der Weisheit what you see is what you get wäre Anna besser gefahren als mit ihrer hemmungslosen Leidenschaft für den »schwarzen Verräter«. Insofern, ja, sie war leicht irre, ein Zustand der sich bei allen Verliebten vorübergehend einstellt, erst recht im Alter von sechzehn Jahren. Schon Opa Philipp nennt die himmelstürmende Liebe des Teenagers ganz richtig »Narrheit und Kinderwerk«.
Im August 1561 wird Ernst daraus. Mit Pauken und Trompeten.
Die sächsische Hochzeit – närrische Metzger und raffinierte Maskenspiele
Bräutigam Wilhelm zieht mit prachtvoll ausgestattetem Adelstross, Musikanten, Maskenspielern und orange livrierter Dienerschaft in Sachsen ein. Der Kurfürst reitet dem Prinzen mit noch größerem Begleitzug entgegen. Insgesamt werden 5647 Pferde in Bewegung gesetzt: Turnier-, Jagd-, Reit- und Packrösser, von denen 1101 zum Gefolge des Prinzen gehören. Zu einem Zug vereinigt, reitet die Festgesellschaft am 24. August in Leipzig ein, wo der Marktplatz extra neu gepflastert und zum Turnierplatz gerüstet worden ist.
Anna begrüßt ihren Prinzen auf der Treppe des Rathauses. Es folgen abschließende Vertragsverhandlungen, bei denen Wilhelm wieder eine schriftliche Zusicherung über Annas Religionsfreiheit verweigert. Sein Fürstenwort, so sagt er, genügt.
Es folgen die Trauung und das öffentliche Beilager im Festsaal des Rathauses. Symbolisch, versteht sich. Das frisch vermählte Paar nimmt lediglich auf einem vergoldeten Prunkbett Platz. Wilhelm wird ermahnt, seine Gattin zu lieben und im evangelischen Glauben zu belassen. Dann wird erst einmal gegessen und das Paar zur Brautkammer geleitet, wo der erfahrene Oranier sicher gehalten hat, was Frauen sich von ihm versprechen durften. Am nächsten Morgen geht es gemeinsam in die protestantische Nikolaikirche, dann wird tagelang gefeiert.
Zu den Höhepunkten zählen ein nächtliches Turnier bei Fackelschein, Feuerwerk, Tänze und sächsischer Mummenschanz mit Metzgern, die in Kuhhäuten auftreten. Bei einem abendlichen Tanz schlägt Kurfürstin Anna von Dänemark ernstere Töne an. Sie ermahnt Wilhelm, ihre Pflegetochter stets zu Gottesfurcht und christlichem Lebenswandel anzuhalten. Der nunmehr verheiratete Prinz erwidert, dass er seine Prinzessin nicht mit solchen melancholischen Dingen plagen und ihr statt der Bibel den Ritterroman Amadis von Gallien zu lesen geben wolle, der »die amore traktiere«. Statt sticken und nähen will er die 16-Jährige »tanzen lernen lassen und dergleichen Courtoisie mehr«, die in den Niederlanden üblich sei. Diese bissig anmutende Replik in Richtung der moralinsauren Pflegemama gehört mit zum Nettesten, was Wilhelm je für seine Gattin Anna tun wird. Der 16-Jährigen werden die frechen Anmerkungen des Prinzen bestimmt gefallen haben.
Die Feierlaune haben sie niemandem verdorben. Insgesamt werden auf Kosten des Kurfürsten 3600 Eimer Wein und 1600 Fass Bier getrunken, notiert der Kämmerer. In Wahrheit dürfte noch mehr Alkohol geflossen sein. Der kostenbewusste Kurfürst hat nämlich darum gebeten, dass die unzähligen Adligen für ihren Anhang eigene Vorräte und Getränke mitbringen mögen und Wilhelm seine renommierten niederländischen Musikanten und Maskenspieler. Die dürften ausgeklügeltere Narrenkünste zur Darbietung gebracht haben als Sachsens Metzger. Nun, jeder nach seinem Vermögen und seines Landes Sitte.
Das Können der sächsischen Kulturträger lässt sich anhand eines Abschiedsgedichtes erahnen, das ein Gelegenheitspoet dem Brautpaar mit auf den Weg gibt. Es endet mit folgenden Versen:
Gott der Herr geb Euch sein Segen
Und tue Euer in Gnaden pflegen.
Das wünschen all in einer Summ
Die wohnen im Christentum.
Nichts gegen Heimatdichter, aber vielleicht wird an dieser Stelle nachvollziehbar, was für ein Kultursprung Anna erwartet, als sie einen Monat später an Wilhelms Seite in sein Wasserschloss von Breda einreitet.
Herzschmerz im Traumschloss
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