Sex and Crime auf Königsthronen
sich vereinen und mit Posten versorgen darf. Ihre Freunde und Favoriten schätzen die Konkubine als großzügige Gönnerin und loben sie auch als fromme Wohltäterin. Ihre Feinde grummeln vernehmlich, weil der König derart begeistert ist, »dass er es nicht ertragen konnte, sie auch nur einen Augenblick zu vermissen«. So viel Luxus, so viel Macht und Einfluss einer Konkubine ist gefährlich für ihre Interessen, aber noch gefährlicher für Agnès.
Die Blondine mit dem Engelsantlitz stirbt mit 28 Jahren zusammen mit ihrem vierten, zu früh geborenen Königskind. Ihr Tod ist so mysteriös wie qualvoll. Sie scheint bei lebendigem Leibe zu verwesen. Ihre letzten Worte lauten: »Wie ekelhaft übel riechend und hinfällig wir doch sind.«
Die offizielle Todesursache »Bauchfluss« – damals eine Umschreibung für unablässigen Durchfall – ruft schon bei Zeitgenossen Zweifel hervor. Hat der legale Kronprinz die Hand im Spiel? Oder seine Mutter, die Königin?
2005 hat ein Pathologenteam das Skelett von Frankreichs erster großer Konkubine exhumiert und untersucht. Das Ergebnis: Die Geliebte des Königs starb an einer Quecksilbervergiftung. Dank Ärztepfusch oder gezieltem Mord? Das hochtoxische »flüssige Silber« gilt seit der Antike als Therapeutikum bei Durchfall und wird zu Agnès’ Lebzeiten auch so eingesetzt.
Doch die modernen Medizinhistoriker fanden 2005 eine derart hohe Konzentration des Gifts in den Knochen der Konkubine, dass sie von Mord ausgehen. Ihre mittelalterlichen Kollegen, so die Pathologen, kannten sich mit der richtigen Dosierung von Quecksilber aus. Und Agnès’ letzte Worte – »wie ekelhaft übel riechend und hinfällig wir doch sind« – weisen in dieselbe Richtung. Eine tödliche Überdosis Quecksilber greift sämtliche Organe an, lässt sie verfaulen. Das Opfer bleibt bei vollem Bewusstsein und kann die übel riechenden Ausdünstungen wahrnehmen.
Quer durch alle Epochen gibt es solche Geschichten von Mätressen, wie die der Überlebenskünstlerin und Betrügerin Alice Perrers, oder tragische Schicksale wie das der verliebten Inés Castro oder das der verwöhnten Agnès Sorel.
Fazit: Liebschaften waren für Könige selbst nie ein Skandal, aber der Skandal, der aus den Liebschaften gemacht wurde, nicht selten Politik. Und die kostete Konkubinen, Kurtisanen und Mätressen gelegentlich das Leben, während ihr Leben in Luxus auch der Demonstration königlicher Macht und Potenz diente.
Die Mätressenwirtschaft des 17. und 18. Jahrhunderts hat also schon Vorläufer, nur wissen wir da mehr über das Leben aller Beteiligten. Dank eigener Aufzeichnungen, verlässlicherer Geburtsurkunden, dank kritischer Beobachtung ihres Tuns, aber eben auch dank einem Wust von Gerüchten und Tratsch, mit denen die Monarchie und die Monarchen anno 1700 und 1800 in nie zuvor gekanntem Ausmaß überzogen werden.
Das macht es nicht leichter, historische Wahrheiten von Lügen zu trennen; tatsächlich ist beides untrennbar miteinander verwoben. Und damit zurück ins Zeitalter der Vernunft.
Könige sind auch nur Menschen
Schon 1556 schreibt der englische Bischof John Ponet eine »Kurze Abhandlung über politische Macht«, in der es heißt: »Es ist besser, auf Gott als auf Prinzen zu vertrauen.« Und: »Wenn also ein König oder eine Königin menschliches oder göttliches Gesetz bricht, müssen sie getadelt oder ersetzt werden. Und wenn (…) sie grausame Götzendiener und Verfolger sind, dann ist es ein tugendhafter Akt, sie als Tyrannen zu ermorden.«
Mit anderen Worten: Könige sind nicht göttlich, sondern auch nur Menschen, die man bei Bedarf vom Thron schubsen kann. Eine selten freimütige Ansicht, die dem protestantischen Kleriker in England das Todesurteil bringt, dem er sich jedoch durch Flucht auf den Kontinent entzieht.
Seine späten Nachfahren – die Aufklärer des 18. Jahrhunderts – gehen die Sache klüger und in weniger kämpferischem Ton an, denn Buch- und Pressezensur sind nach wie vor eine handfeste Angelegenheit.
»Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«, fordert Kant, wie wir schon gehört haben, und er prägt den epochemachenden Begriff »Aufklärung«.
»Überzeugung muss an die Stelle von Religion treten«, schreibt Gotthold Ephraim Lessing. In Frankreich rufen Autoren wie Voltaire, Diderot und Rousseau das Siècle des Lumière aus. »Das Jahrhundert des Lichts«. Im Licht der reinen Vernunft betrachtet verliert die Monarchie an Glanz.
Statt
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