Sex and Crime auf Königsthronen
anderem soll er von nun an Jungfrauen beschützen, Witwen retten und den König verteidigen. Das vor allem. Sein Vater taucht sodann die Finger seiner Rechten ins Badewasser, zeichnet ein Kreuz auf die Schulter seines Sohnes und küsst sie. Heinrich darf der Wanne entsteigen, wird in ein Minimönchsgewand gesteckt und muss betend eine Nachtwache abhalten.
Mehr Spaß dürfte es dem Pimpf bereitet haben, im Morgengrauen in einer Ritterrüstung Größe XXS protokollgemäß auf einem Schlachtross in die Halle des Westminsterpalastes einzureiten. Er hält sich die ganze Zeit tapfer und fröhlich, notiert der Hofschreiber; ich wette, auch heute hätten knapp Vierjährige nichts dagegen, als Ritter und per Pony im elterlichen Wohnzimmer aufzutauchen.
Fest steht, die Welt des Rittertums und ihrer mystischen Romantik wird Heinrich sein Leben lang begeistern, obwohl das Mittelalter definitiv zu Ende ist und echte Ritter fast schon Museumsstücke sind.
Trotz dieses traditionellen Showaktes schrecken die Yorkisten und ihr selbst ernannter König nicht davor zurück, am 3. Juli 1495 mit einigen Schiffen an der Küste von Kent anzulegen. Allerdings werden dabei hundertfünfzig Angreifer sofort getötet, der Rest segelt rasch weiter nach Irland. Von nun an belästigt der vorgebliche Towerprinz als Richard IV. den regierenden Tudor-Monarchen abwechselnd von Irland und von Schottland aus.
Der Yorkisten-König darf sogar eine Cousine des Schotten-Königs heiraten. Kurz, Englands treueste Feinde – Schottland, Irland, Frankreich – machen sich ein Mordsvergnügen daraus, den Tudors eine königliche Laus in den Pelz zu setzen.
Am Schluss mischen noch Rebellen aus Cornwall mit, das immer gut ist für einen Bauern- oder Adelsaufstand gegen regierende Könige. Erst im Jahr 1497 ist endgültig Schluss mit lustig. Das marodierende Wandertheater rund um Richard IV. wird bei einer Schlacht gründlich geschlagen, ihr König festgenommen und in den Tower gesperrt.
Hier kommt endlich auch die Wahrheit mehr oder minder ans Licht. Der angebliche Sohn von York-König Edward IV. heißt Perkin Warbeck und ist in Flandern geboren. Seine prachtvollen Klamotten, denen er den Beginn seiner atemberaubenden Karriere verdankte, hat er anno 1491 im Auftrag eines flandrischen Schneiders getragen. Perkin Warbeck war damals – modern gesprochen – nichts weiter als ein Model.
Entsprechend hübsch sieht er aus und – so bestätigen zeitgenössische Quellen – dem längst verblichenen York-Monarchen Edward IV. sehr, sehr ähnlich. Genutzt hat ihm das nach seiner Gefangennahme nicht mehr viel. 1499, zwei Jahre nach seiner Festnahme, wird der inzwischen 25-Jährige gehängt.
Nicht weil er einen König gemimt hat, sondern – und jetzt halten Sie sich fest –, weil er mit dem echten York-Herzog von Warwick, den Lambert Simnel einst kopiert hat, im Tower eine gemeinsame Verschwörung gegen die Tudors anzetteln wollte. Erzählen Sie das mal als Roman, ich wette, die Story nimmt Ihnen kein Leser ab. Sie beweist, dass Royals und Showstars nicht erst seit Neuestem einiges gemeinsam haben. Vielleicht titulieren wir deshalb sehr erfolgreiche Gesangsstars heute instinktiv als King oder Queen of Pop.
Die Angst liegt mit im Bett
Welchen Einfluss derartige Räuberpistolen auf das Gemüt des anno 1497 sechsjährigen Prinzen Heinrich haben, können wir nur vermuten. Immerhin wird der kleine Heinrich, dem ja nun der Titel Herzog von York gehört, bei einigen Angriffen des falschen Herzog von York – also Warbeck – mit seiner Mutter fluchtartig in Sicherheit gebracht. Übrigens im Tower, weil der eben nicht nur ein Gefängnis ist, sondern auch die sicherste Trutz- und Schutzburg und eine Residenz der englischen Könige. So schwierig es für Gefangene ist herauszukommen, so schwierig ist es auch für Feinde hineinzukommen. Außerdem lagert im Tower das königliche Waffen- und Kanonenarsenal.
Eins wird Heinrich früh gelernt haben: den Aristokraten und auch den Höflingen, die einen täglich umgeben, gründlich zu misstrauen. Sein Vater geht für den Rest seines Lebens stets in Begleitung von zehn Dienern zu Bett. Ein Leibwächter rollt sich allabendlich über die königliche Matratze, um zu prüfen, ob ein versteckter Yorkisten-Dolch im Stroh lauert.
Erst dann wird das Betttuch zurückgeschlagen, dann wird ein Federbett und zum Schluss die royale Hermelindecke aufgelegt. Danach besprengt ein Priester das Lager mit Weihwasser. Damit diese aufwendige Form des
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