Sex and Crime auf Königsthronen
Ekel seines Sohnes ficht Heinrich VII. gegen aufmüpfige Adlige und Bürger nur noch mit der Schreibfeder und mit Steuerformularen. Papas Finanzpolitik ist eine Lektion, die Heinrich (noch) heftig abstößt.
Papa Tudor – Finanzterrorist und Schreibtischtäter
Heinrich Nummer sieben ist auch aus dem Blickwinkel seiner Untertanen kein kühner Ritter, sondern ein unerträglicher Geizkragen und Finanztyrann. Der erste Tudor will ein reicher, unabhängiger König werden. Ein Herrscher, der nicht nur Regierungshoheit besitzt, sondern mindestens so viel Land wie die reichen alten Adelssippen Englands. Ein Monarch, der nicht ständig beim Parlament um eine Haushaltserhöhung oder im Kriegsfall um die Truppenbesoldung betteln muss. Und schon gar nicht will der ehemalige Rosenkrieger auf die militärische Mithilfe und Stärke unberechenbarer Aristokraten setzen.
Sein Vorbild ist Frankreichs Königtum – nicht umsonst war der Schafzüchtersohn Heinrich Tudor vierzehn Jahre in der Bretagne im Exil.
Die Monarchen jenseits des Kanals haben die absolute Steuermacht über ihre Untertanen. Le Roi darf ganz nach eigenem Gutdünken die Abgabenhöhe festlegen und immer neue Steuern erfinden.
In England ist eine Finanzgesetzgebung vorgeschaltet. Die schlachtet Heinrich VII. nun gnadenloser und kenntnisreicher aus als je ein englischer König vor ihm. Der hagere, fuchsgesichtige Herrscher kramt mithilfe seiner Juristen in 24 Regierungsjahren uralte Buß- und Sondersteuerverordnungen hervor, die der Monarch direkt und nur für sich einfordern darf.
Heinrich VII. wird ein Paragrafenreiter und Erbsenzähler, ein Pfennigfuchser und ein wandelndes Sparschwein.
Bürger und Bauern zahlen unter ihm für kleinste Vergehen hohe Strafgelder und Zusatzsteuern, die längst in Vergessenheit geraten waren. Etwa eine Abgabe an die Krone für das Aufspannen von Netzen gegen Amseln und Dohlen, um die Aussaat zu schützen. Selbst heutige Kleingärtner können die Empörung der Gemüsebauern über diese Vogelscheuchensteuer nachvollziehen.
Als einige Fiskusopfer rebellisch werden, erhebt König Heinrich eine weitere Uraltsteuer, um die Revolte mit Mietsoldaten niederzuschlagen. Alle Küstenorte sollen eine spezielle Hafenstadtsteuer entrichten. Die war mal erfunden worden, um Festungsmauern gegen normannische Kriegsschiffe zu errichten und Armbrüste oder Steinschleudern zu kaufen. Jetzt müssen die Küstenbürger ran, um Truppen gegen rebellische Landsleute zu finanzieren. Noch dazu gegen Landsleute, die in ihrem Sinne gegen kuriose Steuern aufmucken. Freunde macht sich Heinrich damit natürlich nicht.
Sein Sohn, der Prinz, schwört sich während endloser Zankereien des Königs mit Dorfsheriffs, Zollbeamten, Bürgermeistern und Wollhändlern in den sparsam geheizten Privatkabinetten des Vaters: Nie werde ich so eine Krämerseele, und vor allem werde ich die Palastfenster vergrößern und verglasen lassen!
Erbärmlich findet der rebellische Teenager auch den väterlichen Umgang mit rebellischen Aristokraten. Standesgenossen, die Heinrich VII. gefährlich werden, bestraft der Throninhaber bei Verfehlungen – und die finden sich immer – nicht mit dem Henkersschwert, sondern mit Geldbußen in astronomischer Höhe.
Wenn er einem rauflustigen Baron ein Strafgeld von 2000 Pfund aufbrummte, war dieser bei einem gängigen Baron-Einkommen von 300 bis 400 Pfund im Jahr sofort ruiniert. Wahlweise konnte der Baron sich stattdessen für lebenslanges Bravsein entscheiden, in den Hofstaat der königlichen Speichellecker eintreten und damit die Zahlungsverpflichtung abwenden. 2000 Pfund damaliger Währung entsprächen heute übrigens einer Millionensumme.
Manchmal verzichtet Heinrich VII. darum lieber auf einen zahmen Höfling, kassiert ab und konfisziert die Landgüter für die Krone. Dem Gesetzessünder blieben nur Flucht und Bettelstab.
Kurz: Der erste Tudor-Monarch ist eine Art König der Knöllchenschreiber. Ein Schreibtischtäter, der persönlich die Rechnungsbücher prüft. Bei Volk, Adel und seinem gleichnamigen Sohn, den er noch kürzer hält als sich selbst, gleichermaßen unbeliebt.
Politisch hat das neue Finanzregime Vorteile: Heinrich VII. vermeidet aus Kostengründen auch Kriege und verhindert per Steuerschraube blutige Adelsaufstände. Viele Earls können sich nämlich kaum noch Söldnertruppen leisten. Er schafft die Grundlagen einer modernen Bürokratie und füllt die Staatskasse. Seine Zeitgenossen haben ihn darum nicht lieber.
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