Sex and Crime auf Königsthronen
Parmesankäse
Bevor die Sache losgehen kann, muss Wolsey das Kriegsziel dem Kronrat schmackhaft machen. Der ist zu großen Teilen mit Kardinälen und überzeugten Kriegsgegnern besetzt. Dabei handelt es sich nicht eigentlich um Pazifisten, sondern um alte Rosenkrieger und Rechenschieber, die sich mit Kosten für Kanonen auskennen. Der Metzgersohn und Noch-nicht-Kardinal Wolsey muss verflixt gute Argumente finden. Vernunftgründe scheiden aus, also stellt er das Projekt als Heiligen Krieg im Namen von Papst Julius II. vor.
Wie? Ein Kreuzzug nach Jerusalem? Jetzt? Das Hochmittelalter ist doch vorbei und Richard Löwenherz längst Legende, werden sich Wolseys Ratskollegen gewundert haben.
Dummköpfe, muss Wolsey zurückgeblafft haben, es geht um den heiligen Vatikan und um die Herrschaft des Papstes in Italien.
Dort hauen und stechen sich Frankreich, Spanien und der Heilige Vater seit einigen Jahren um die Herrschaft über reiche Stadtstaaten wie Neapel, Mailand, Florenz und Venedig.
Julius II. ist ein Papst im Kettenhemd. Seine für einen Nachfolger Petri ungewöhnliche Namenswahl ist Programm. Julius soll nicht an einen Apostel erinnern, sondern an Cäsar. Der Papst ist ein echter Renaissancefürst. Luther wird ihn später den »Blutsäufer« taufen; die Römer nennen ihn schaudernd il terribile , den Schrecklichen. Vor seiner Wahl auf den Stuhl Petri hat sich der Mann aus dem Hause Rovere fast sechzig Jahre als Heerführer durchgeschlagen.
Jetzt ist er an einem vereinten Italien unter seiner Herrschaft interessiert. Großmächte und Nationen kommen damals – siehe Spanien – eben in Mode. Darum gründet Julius unter anderem auch die berühmte Schweizer Garde, die damals mehr kann, als Fototouristen lustig bunte Uniformen vorzuführen. Schweizer Landsknechte sind in der Renaissance die weltbesten Soldaten.
Anno 1511 ist aber leider Frankreich bedenklich erfolgreich im Verteilungskampf um den italienischen Stiefel. Der Heilige Vater will eine Waffenbrüderschaft zwischen Spanien, Venedig und der Schweiz schmieden. England soll auch mitmachen und – mal wieder – die Franzosen auf eigenem Boden angreifen. Ein Fall ganz nach dem Geschmack des ruhmdürstenden achten König Heinrich.
Der römische Julius hat dem jungen Tudor eine Privatbulle geschrieben, in der er den Jungspund mit Schmeichelei und frommen Wünschen bei der Ritterehre packt. Damit die Lobhudeleien ihr Ziel erreichen, hat der Stellvertreter Gottes den Brief zusammen mit hundert Laiben Parmesankäse und noch mehr Fässern Chianti losgeschickt.
Das alles hat Heinrich sicher gemundet, aber weit mehr rührt den ruhmsüchtigen Prinzen die goldene Rose, die im Lieferumfang inbegriffen ist.
Diese päpstliche Tugendrose ist mit heiligen Essenzen von Myrrhe bis Weihrauch gefüllt und vom Goldschmied des Papstes gefertigt. Verliehen wird die kostbare Schmuckblüte seit dem 11. Jahrhundert einmal pro Jahr an Menschen, die sich um die katholische Kirche besonders verdient gemacht haben. Eine Auszeichnung nach Heinrichs Geschmack. Vorschusslorbeeren und Schmuck von hohem materiellen und noch höherem spirituellen Wert – da kann der Tudor unmöglich Nein sagen. Zumal der Papst großzügig andeutet, er könne sich Heinrich im Falle eines Sieges durchaus als Frankreichs neuen König vorstellen, so wie es seine Vorfahren ja einmal – wenn auch nur kurz – waren.
Auch Venedig schickt Schmeicheleien und Geschenke. Der Botschafter der Dogen hat klare Anweisungen: »Schmeichelt dem jungen König, entzündet sein kriegerisches Feuer, erinnert ihn an seine Ehre und (an seine) göttliche Verpflichtung als König.« Sie alle rennen offene Türen ein.
Pustekuchen, das geht uns nichts an, sagen hingegen Englands Kardinäle und Kriegsgegner mit Blick auf die Kasse und auf die mageren Waffenarsenale.
Insgeheim hat Wolsey das vielleicht genauso gesehen, aber er weiß, was alle anderen noch nicht glauben können: Man muss dem bislang so harmlosen Playboykönig geben, was er will. Heinrich der junge Löwe hat – wie vom Philosophen Thomas Morus prophezeit – seine Krallen entdeckt. Wehe all denen, die ihn nun bändigen wollen. Der Enkel von Oma Beaufort und Sohn von Knickerkönig Heinrich VII. hat alle Bevormundungen satt.
Die Kriegsgegner glauben, dass sie Heinrich weiter wie Puppenspieler führen und als Playboy halten können. Sie machen einen Kardinalfehler und bieten Frankreich unter der Hand ein Friedensbündnis an. Dummerweise schickt Frankreichs Roi einen
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