Sex and Crime auf Königsthronen
Sohn kann er allerdings nicht aufwarten. Darum wird ein 20-jähriger Spross aus einer Nebenlinie des Hauses Valois zu Franz I. von Frankreich gekrönt. Der ist vier Jahre jünger als Heinrich, gilt als Heißsporn, herrscht über ein fünfmal so großes Land, regiert über etwa 10 Millionen Untertanen und über entsprechend viel rekrutierbares männliches Jungvolk. England ist zu dieser Zeit von nur 2,5 Millionen Menschen besiedelt.
Als Krieger ist Franz also bei weitem potenter als Englands Monarch und als Feldherr sein Leben lang europaweit umtriebig. Als Schürzenjäger – wie erwähnt – ebenfalls. Kurz nach dem Tod von Ludwig XII. macht Franz Valois sich spornstreichs an die hübsche englische Königswitwe Mary Tudor ran. Laut Briefen der bedrängten Mary sogar so handfest, dass Heinrichs Schwester eine mögliche Vergewaltigung befürchtet. Franz I. kommt nicht zum Zuge.
Um sich zu rächen, fördert er Marys Romanze mit einem englischen Höfling, der zu ihrem Schutz am Pariser Hof weilt und der schon immer ihre große Liebe war. Es ist Heinrichs Kumpel Charles Brandon. Mary heiratet den recht unbedeutenden Adligen heimlich in der Stadt der Liebe. Franz freut sich diebisch, dass die Tudor-Schwester sich so unter ihrem Stand paart und auch als diplomatisches Heiratsinstrument für Heinrich ausfällt. Wenig galant wird der gallische Monarch später ein Graffiti über ein Porträt von Mary Tudor kritzeln: »Mehr schmutzig als königlich«. Das ist natürlich als psychologische Kriegführung zu deuten. Gegenseitige Majestätsbeleidigung gehört zum Geschäft. Casanova Franz mag es am liebsten schmutzig und frauenfeindlich. Als Kavalier hat er sich seinen späteren Titel le roi chevalier – der ritterliche König – in keinem Fall verdient.
Heinrich hat bereits 1515 genügend Gründe, um den französischen Rivalen zu hassen. Am meisten fuchst den Experten für Selbstpropaganda, dass Frankreichs Twenkönig ihm die Rolle als Europas heißester Nachwuchs-Royal stiehlt.
Einen Beweis unter vielen finden wir im Bericht eines venezianischen Diplomaten. Der ist 1515 Gast bei einem Gartenfest Heinrichs. Der Tudor fragt den Gesandten eifersüchtig über den neuen Rivalen aus. Signor Giustinian schildert die Plauderei wie folgt: »Seine Majestät kam in unsere Laube und redete mich auf Französisch an … ›Ist der König von Frankreich so groß wie ich?‹ Ich sagte ihm, es sei kaum ein Unterschied. ›Ist er ebenso kräftig?‹, fuhr er fort. Ich verneinte das, und dann erkundigte er sich: ›Hat er so hübsche Beine wie ich?‹ Ich antwortete: ›Nein, dünne.‹«
Tja, auch Eitelkeit macht Politik. Gestern und heute. Kleines Beispiel am Rande: Nicolas Sarkozy, Frankreichs derzeitiger Monsieur le Président , legte während seiner Wahlkampfmonate 2008 Puder, Parfüm und Schminke für 34.445 Euro auf. Die wahrhaft königlichen Make-up-Kosten bestritt der Staatspräsident und Co-Fürst von Andorra aus der Staatskasse. Eine Kommission befand, dass die Schönheitskosten »exzessiv hoch« seien. Das Finanzamt verlangte im Namen des Volkes zwei Drittel zurück. Okay, das wäre Tudors Heinrich nicht passiert.
Der Sieg in der Wadenkonkurrenz gegen Frankreichs damaligen König Franz scheint ihn in jedem Fall enorm zu beruhigen. Der Monarch lüpft beim Gartenfest seinen Überrock und klopft sich wohlgefällig auf die Unterschenkel: »Seht her, ich habe jedenfalls kräftige Waden.«
Young Henry bringt sie durch helle Strümpfe und eng anliegende Strumpfbänder zur Geltung. Auch die Versicherung des venezianischen Diplomaten, Franz I. habe eine überlange Pferdenase, sagt Heinrich zu. Große Nasen sind für die französischen Valois-Könige in der Tat so typisch wie ihr sehr ausgeprägter sexueller Appetit. Franz I. ist die goldene Regel, nicht die Ausnahme dieses Familiengesetzes (siehe oben).
Die Lendenlust des Franzosenherrschers findet der junge Heinrich – wirklich wahr – abstoßend. Ihm reichen seine blonde Bessie und Katharina, die in jenem Sommer erneut und damit zum sechsten Mal in sechs Ehejahren schwanger wird. Das ist immerhin etwas zum Angeben. Einmal muss es doch klappen. Höchst zufriedenstellend findet er auch die Nachricht, dass Claude, die Gemahlin von Frankreichs jungem König, einen Klumpfuß hat. Ha, seine Katharina ist zwar mittlerweile ein wenig moppelig aufgrund der vielen Schwangerschaften, aber ansonsten wohlgeformt.
Der unschöne Frauenvergleich der beiden königlichen Gockel ist historisch
Weitere Kostenlose Bücher