Sex and Crime auf Königsthronen
zurückverkaufen. Überdies streicht er noch eine satte Mitgift ein. Er ordnet eine Ehe zwischen seiner Lieblingsschwester Mary Tudor und dem hinfälligen Ludwig XII. an.
Die Braut ist widerspenstig, weil anderweitig verliebt und gerade erst achtzehn. Heinrich beruhigt sie: Allzu lange kann das Eheglück nicht währen. Ihr Roi ist 52 Jahre alt, gichtkrumm, mager wie ein Skelett und lungenkrank. Dennoch ist Ludwig fest entschlossen, mit der englischen Prinzessin Nachwuchs zu zeugen; ihm fehlt nämlich ein männlicher Erbe. Ein wenig Verständnis kann man für die sexuelle Vorfreude des greisen Franzosen aufbringen.
Er selber war mit 14 Jahren zur Ehe mit der 12-jährigen Johanna der Frommen gezwungen worden. Ein ausnehmend hässliches, verkrüppeltes Menschenwesen, das sich sein Leben lang schwersten Kasteiungen unterzog. 22 Jahre hielt die Ehe, blieb kinderlos, dann verlangten Ludwig und Johanna in vollkommener Eintracht die Auflösung der erzwungenen Gemeinschaft, die der Papst sofort gewährte. Ludwig XII. war mehr als erleichtert, denn Johannas »Missgestalt, ihre Kränklichkeit und ihre Unsauberkeit flößten ihm unüberwindlichen Widerwillen ein«, wie seine Hofchronisten ungalant notierten. Johanna wurde Nonne und später immerhin heiliggesprochen. Dies halte ich nur fest, um zu zeigen, wie locker königliche Scheidungen gemeinhin gehandhabt wurden.
Zurück ins Jahr 1514. Der gescheiterte Kriegsheld Heinrich freundet sich mit der Rolle des umworbenen Bündnispartners für die Streithähne auf dem Kontinent an. Er befördert Bischof Wolsey zum Lordkanzler und findet wieder Grund zum Feiern. Ab Silvester vor allem mit der blutjungen Blondine Bessie Blount.
Es handelt sich um eine damals erst zwölf- oder dreizehnjährige Zofe Katharinas. Die Wahl eines so blutjungen Ritterfräuleins hat nichts mit einer plötzlichen Vorliebe für Lolitas zu tun. Den 23-jährigen König reizt lediglich das schöne Ziel, erstmals ein einwandfrei jungfräuliches Mädchen ins Bett zu locken. Es ist eine verspätete Teenieliebe.
Wir erinnern uns: Ob die sechs Jahre ältere Katharina nicht nur als Witwe, sondern auch als virgo intacta in Heinrichs Himmelbett stieg, ist nicht einwandfrei klar. Die Betroffenen haben sich bislang nicht dazu geäußert, was sie allerdings noch ausführlich und vor Gericht nachholen werden.
Wann Heinrich zum ersten Mal mit seiner neuen Flamme Bessie das Bett teilt, ist unklar. Historiker tippen auf das Jahr 1516 oder 1517. In jedem Fall ist Elisabeth unter sechzehn und Heinrich begeistert. Es wird seine bislang ausführlichste Liaison, der er erstaunliche fünf Jahre die Treue hält. Bessie bekommt eine eigene Suite in den Schlössern, und sie kriegt meist pünktlich um drei oder vier Uhr am Nachmittag Besuch vom König, der seine Lust gern nach öden Kronratssitzungen und nach der Uhr auslebt.
Mit Bessie Blount entdeckt der schöne Prinz geregelte Bettfreuden und die Klaviatur spielerischer Lust. Nicht nur zwischen Seidenkissen harmonieren die beiden. Wie der König komponiert auch Bessie Lieder, wird als reiner Sonnenschein und als die Sanftmut in Person beschrieben. Also immer rein ins Vergnügen.
Gut möglich, dass Henry nach seinen Krächen mit Katharina und seinem Scheitern als edler Minneritter die unkomplizierte Bessie für seine erste wahre Liebe hält. Offiziell ist zwischen beiden nichts, aber der Hof weiß Bescheid, und keiner sagt etwas, nicht einmal Katharina. Spaniens Botschafter hat ihr zugetragen, dass Wolsey das schmutzige Wort Scheidung ins Spiel gebracht hat. Die Schlacht von Flodden mag Katharina gewonnen haben, ihre Rolle als Heinrichs Minnedame hat sie verloren. Nur schwanger wird sie nach wie vor.
Die Königin muss sich von aller Welt und von Gott verlassen gefühlt haben, als sie im Januar 1515 in der üblichen Wöchnerinnen-Klausur zum fünften Mal eine Totgeburt erleidet, während der Gatte mit Bessie tanzt. Tragischerweise verliert Katharina einmal mehr einen so dringend benötigten Sohn.
Heinrich schlägt sich im Januar 1515 mit ganz anderen Sorgen herum. Die haben mit seinen Waden und mit seiner Lieblingsrolle als Europas royaler Nachwuchsstar zu tun. Englands Prince charming bekommt nämlich kräftige Konkurrenz. Noch dazu – wie schauderhaft – französische.
Franz I. und Heinrich VIII. – die lebenslange Wadenkonkurrenz
Am 1. Januar stirbt Frankreichs greiser König und Heinrichs Schwager Ludwig XII. Der trägt zwar den Beinamen »Vater des Volkes«, mit einem
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