Sex and Crime auf Königsthronen
eigene im Sinn. Wolsey hat Heinrich den Floh ins Ohr gesetzt, der König habe als Friedensengel Chancen auf den Kaiserthron des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Habsburgs Maximilian liegt schließlich in den letzten Zügen. Für sich selbst hofft der fantasiebegabte Kardinal auf die päpstliche Tiara. Das englische Duo kennt keine zu hoch gesteckten Ziele. Weltherrschaft wäre doch eine prima Sache.
Als der greise Kaiser im Januar 1519 stirbt – übrigens im Mönchsgewand und nachdem man ihm alle Zähne herausgebrochen hat, weil er auf den letzten Metern zum Himmel der Sünde der Völlerei entsagen und sich zum Märtyrer stilisieren will –, beginnt der Wettstreit um seine Kopfbedeckung: die Kaiserkrone.
Aus allen Ecken Europas werden Diplomaten mit Bestechungsgeldern und Schmeichelbriefen zu Deutschlands sieben Kurfürsten gejagt, die sich für die traditionsreiche Kaiserwahl in Frankfurt am Main bereit machen.
Heinrich bringt sich mit ein paar Tausend Pfund ins Spiel, Frankreichs Franz mit reichlich mehr, doch es ist der farblose Karl von Gent und Spanien, der sich 1519 durchsetzt. Die österreichischen Habsburger haben halt Tradition auf dem Kaiserthron, obwohl der nicht erblich ist. Der tiefkatholische Karl kann über seine Verbindungen den römischen Machtapparat einschalten und hat damit die Stimmen der drei wahlberechtigten Erzbischöfe beisammen.
Für die anderen Stimmen bemüht er Europas größte Kreditanstalt: die Fugger. Die Augsburger Banker leihen Karl 543.589 Gulden, damit der Gesamtpreis von 852.589 Gulden und 56 Kreuzern für die Bestechungsgelder aufgebracht werden kann. Übrigens eine Schuldverschreibung, die Karl für den Rest seines Lebens von den Fuggern abhängig macht, weshalb er Spaniens Konquistadoren antreibt, noch mehr Gold- und Silberkolonien in Südamerika zu erobern. Die blutigen Folgen für Inkas, Mayas und andere Ureinwohner sind bekannt.
Die Familie Fugger gibt den Kredit nicht nur aus Berechnung. Ihr ist ein deutscher Kaiser lieber als ein französischer – einen englischen haben sie erst gar nicht auf der Rechnung. Karl lässt den Kurfürsten mitteilen, wenn sie ihn wählten, hätten sie viel Handlungs- und Handelsfreiheit. Sein Reich ist so unermesslich groß, dass er nur selten in Deutschland sein könne. Das überzeugt Deutschlands Fürsten, die gern tun und lassen, was ihnen gefällt.
Dass Karl V. 1519 Kaiser wird, ist für Heinrich eine ärgerliche, aber für seine Königin eine frohe Botschaft, denn Karl ist der Sohn ihrer älteren Schwester Johanna, also ihr Neffe, und von dem erhofft sie sich Rückendeckung.
Die bedauernswerte Katharina hat nämlich im November 1518 wieder einmal eine Totgeburt zur Welt gebracht. Ein Mädchen. Es ist ihre achte oder neunte, in jedem Fall ihre letzte Niederkunft. Porträts aus diesen Tagen zeigen die 33-Jährige als früh verbrauchte Matrone mit Doppelkinn. Das hüftlange Haar ist unter einer abschreckend hässlichen hölzernen Giebelhaube versteckt.
Die blühende Bessie Blount hingegen wird zwei Monate später von einem kräftigen rotblonden Knaben entbunden – nicht nur optisch soll er ganz dem Papa gleichen. Heinrich erkennt seinen Bastard von Bessie an, nennt ihn Heinrich und mit Zweitnamen Fitzroy. Das ist die englische Version von fils roi , also Königssohn. Noch schlimmer und demütigender für Katharina: Ihr Gatte adelt den Bastard später zum Herzog von Richmond hoch. Das ist der Titel, den sein eigener Vater trug, bevor er der erste Tudor-König Englands wurde. Solch perfide Absichtserklärungen bringen Königin Katharina und ihr einziges Kind, Prinzessin Maria, in Bedrängnis.
Henry Firtzroys Mama Bessie Blount bringt der Bastard wenig ein. Sie wird flugs mit einem willigen Höfling Wolseys verheiratet und in die Provinz verbannt. An Müttern als Mätressen findet Heinrich zeitlebens keinen Gefallen. Außerdem hat er die ehemalige Unschuld Bessie im Verdacht, bei der Empfängnisverhütung absichtlich gepatzt zu haben. Ja, es gab schon damals, zumindest in königlichen Kreisen, Verhütungsmittel. Und die waren Sache der Frauen.
Unter anderem verschlossen clevere Hofdamen ihren Muttermund mit Halbedelsteinen – beliebt ist Alunit –, nutzten samenabtötende Cremes mit Ingredienzien wie Petersilie, die auch für Abtreibungen genutzt wurde, oder sie besorgten eine Art früher Kondome aus der Haut von Lämmerföten.
Das half nicht immer, aber oft genug, um eine Affäre zwischen Hofdame und Höfling wagen
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