Sex and Crime auf Königsthronen
belegt. Bei einem späteren Staatsbesuch Heinrichs in Frankreich kritzeln Chronisten eifrig das Getuschel der beiden Throninhaber über die jeweilige Gattin des Gegners mit. Franz fühlt sich von Katharina an ein Schlachtschiff unter Brokatsegeln erinnert, der Tudor mokiert sich über Königin Claudes Hinkebein beim Tanz.
Auf dem Feld der Ehre kann Heinrich seine Kräfte mit Franz nicht messen. Seine militärischen Sommerausflüge von 1513 haben die Kronkasse erschöpft und das Parlament sagt »No« zu weiteren Kriegsausgaben auf Kosten der Steuerzahler.
Heinrich muss sich also früh auf andere Kampfdisziplinen verlegen. Teure Klamotten und schönen Schmuck hat er bereits, auch in Sachen höfische Musik, Spaß, Sport und Spiel bleibt er verschwenderisch, aber so richtig in die Vollen langt er ab 1516 als Bauherr. Wenigstens in Sachen royale Immobilien will er sich – zum Behufe des Nachruhms – in die Liga von Europas Großmächten hocharbeiten.
Der größte Angeber und Bauherr der Renaissance
Der Tudorerbe betätigt sich – Tausendsassa, der er nun mal ist – als Architekt in eigener Sache. Unmittelbar nach der Thronbesteigung hat er schon die muffigen Residenzen des Vaters renovieren und verglasen lassen, darunter Richmond und Greenwich Palace. 1516 ersteht der 25-Jährige den ersten Palast seiner eigenen Schlosskollektion, die sich am Ende seiner Tage auf sechzig Paläste, große Landhäuser und Jagdschlösschen summieren wird.
Beaulieu heißt das erste Objekt seiner Baulust. Das heruntergekommene Landgut kostet im Originalzustand 1000 Pfund. Heinrich lässt es mit sündteuren, weil damals noch handgefertigten Ziegeln für 17.000 Pfund zu einem Schloss mit acht Innenhöfen ausbauen. Innen wird er es mit ungezählten Kaminen, geheizten Badezimmern mit fließend heißem Wasser und auf dem Dach mit verschnörkelten Schornsteinen bestücken lassen. Jeder davon ist ein kleines Kunstwerk: Die Tonröhren sind mit geziegelten Mauerbändern verziert, mit Zinnen bewehrt und von Drachen, Löwen, Feen und Gnomen gekrönt. Warum so aufwendige Rauchabzüge?
Der Schmuck mag eine Art Schutzzauber sein. Ärmere Zeitgenossen Henrys hängen alte Schuhe und Vogelmumien in ihre Kamine, um den Teufel davon abzuhalten, ins Haus zu fahren.
Auch Heinrich glaubt an den Teufel, aber für ihn sind die Schornsteine, die wie Schachfiguren auf den Flachdächern thronen, vor allem Reklame für sich und seinen Reichtum. Alle mal herschauen: Ich habe Geld genug für teures Heizmaterial, und zu jedem Schornstein gehört ein Zimmer.
Sein Schloss Hampton Court wird später mit 241 Schornsteinen prunken, von dem keiner dem anderen gleicht. Der Tudor-Palast, direkt an der Themse, ist das letzte erhaltene Großschloss Heinrichs. Ganz allein hat er es nicht entworfen – damit hatte sein Berater und Busenfreund Kardinal Wolsey angefangen. Der 16 Jahre ältere Kirchenmann ist ebenfalls begeisterter Architekt und hochmoderner Innenausstatter. Wolsey lässt Wasserleitungen verlegen, ordnet als Novum eine tägliche Grundreinigung der Gemächer an, pflanzt in den gigantischen Gärten italienische Kirschbäume und beweist so aller Welt, wie reich ihn sein direkter Draht zu König und Staatskasse macht.
1519 unterläuft Wolsey in Sachen Hampton Court allerdings ein dummer Fehler. Er lädt Heinrich zu einem Besuch auf seine Großbaustelle im lieblichen Themsetal und zu einem Fest ein, bei dem er das Essen auf Tellern aus massivem Gold servieren lässt. Danach ist er das Schloss los. Niemand, der in Heinrichs Diensten steht, schon gar nicht ein Aufsteiger wie Wolsey, darf es wagen, einen prachtvolleren Wohnsitz als König Heinrich selbst zu haben.
Klugerweise hat Wolsey Hampton Court seinem neidisch dreinblickenden König geschenkt, mit der hastig nachgeschobenen Erklärung, er habe es selbstverständlich für ihn gebaut. Auf diese Weise wird Heinrich noch oft in den Besitz hübscher Residenzen kommen. Ist ein Hausherr nicht willig, ordnet der König einen Schlosstausch an oder Bedenkzeit im Tower. Die meisten Schlossbesitzer haben nicht lange überlegt.
Heinrich überließ ihnen eine zugige Uraltburg aus dem Mittelalter und kam dafür in den Genuss des von ihm begehrten neuen Palais. Knoles, ein Anwesen in Kent, auf dessen Gelände 2007 der Tudor-Film »Die Schwester der Königin« gedreht wurde, ist eines dieser eingetauschten Schlösser.
Die meisten davon baute Heinrich verschwenderisch um und aus. So auch Wolseys Hampton Court, dem er eine
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