Sex and Crime auf Königsthronen
zweifaches Zölibat, was seiner Laune abträglich ist. Der nunmehr 40-Jährige schläft nicht mehr mit seiner Noch-Ehefrau und noch nicht mit seiner Geliebten, die bei offiziellen Anlässen stets an seiner Seite ist und in den verschiedenen Palästen eigene Gemächerfluchten bewohnt.
Wagt ihr Dauerverlobter einen lustvollen Blick in Richtung anderer Damen, erwartet ihn eine heftige Eifersuchtsszene Annes. Noch hält der Tudor das für wahre Leidenschaft; für Anne geht es um viel mehr. Sie muss werden, was Katharina unbedingt bleiben will: Königin und Prinzenmutter. Nur so kann sie sich gegen Heinrichs Wankelmut absichern.
Sie kleidet sich immer prunkvoller, entwickelt Starallüren und brüskiert Katharina, indem sie die Livreen ihres Gefolges mit einem kecken Spruch besticken lässt: »Murre, wer murren will, es wird doch geschehen«.
Es murren so einige, denn Katharina ist ungeheuer beliebt, vor allem beim Volk, das ihre Wohltätigkeit schätzt. Missfallen erregt hingegen der kometenhafte Aufstieg des Boleyn-Clans und der mächtigen Howard-Sippe, mit der Anne ebenfalls verwandt ist. Andere Hoffraktionen nehmen ihr ihr Interesse für reformatorische Schriften übel.
In höfischen Klatschzirkeln wird Annes überzähliger Nagel als Hexenfinger gebrandmarkt, und das erdbeergroße Muttermal an ihrem Hals gilt als Teufelskuss. Heimliche Tuscheleien, die Katharina und alle strengen Katholiken erfreuen, die aber Heinrichs Obsession nicht mindern.
Und auch er denkt sich perfide Demütigungen für seine Noch-Gattin aus, er verpflichtet ihre Hofdamen, sie nur noch als Prinzessin-Witwe (nämlich von Arthur) anzureden.
Einige Damen beginnen das Erfolgsmodell Anne zu kopieren. Lange Ärmel, Halsbänder und frivoles Flirten kommen in Mode. Die Boleyn bleibt Trendsetterin mit Starqualitäten – genau wie Heinrich.
Die Atmosphäre bei Hof ist dennoch gespannt. Katharina erwartet im Gegenzug für ihre geduldige Schauspielerei zumindest Besuche ihres Noch-Gatten in ihren Empfangsgemächern. Anne droht mit Eifersuchtsszenen, sobald er bei Katharina auch nur den Kopf durch die Tür steckt. Des Königs »große Sache« droht zu einem Scharmützel der Weiberröcke zu verkommen.
Im August 1531 reißt dem Monarchen der Geduldsfaden. Er verlässt sein Schloss Windsor mit Anne. Nicht ohne sich vorher von Katharina zu verabschieden. Freundlich wie von Wolsey und auf Nimmerwiedersehen.
Die Königin bleibt zurück und wird aufgefordert, ihre Kronjuwelen an die Rivalin zu übersenden. Sie weigert sich, woraufhin Heinrich ihr den Kontakt zu ihrer einzigen Tochter, der 15-jährigen Prinzessin Maria, verbietet.
Katharina schickt den Schmuck; besuchen darf sie ihr Kind trotzdem nicht mehr. Für den Rest ihres Lebens wird die Königin in wechselnde Landhäuser verbannt. Bevorzugt in klimatisch ungünstige Gegenden, die tödliche Krankheiten befördern. Unter dem Vorwand, sie plane eine »Verschwörung gegen den König«, wird der Verbannten schließlich auch der Briefkontakt zu Maria untersagt.
Im Herbst 1532 brechen Anne und Heinrich zu einem Staatsbesuch nach Frankreich auf. Anne, die am dortigen Hof erzogen wurde, hofft auf Anerkennung als Heinrichs künftige Frau, doch Frankreichs Königin empfängt sie nicht, dafür bringt Franz I. demonstrativ seine Maîtresse en titre mit.
Die inzwischen 31-jährige Anne entschließt sich zum letzten Gunstbeweis für Heinrich, um sich Thron und Anerkennung zu sichern, bevor auch sie in die unfruchtbaren Jahre kommt. Zur damaligen Zeit sank die Empfängnisbereitschaft – aufgrund ungesunder Ernährung und der allgemein größeren Strapazen und Gesundheitsgefahren – weit früher als heute.
Die Boleyn hat Glück, sie wird unmittelbar nach der ersten fleischlichen Begegnung mit Henricus Rex schwanger. Im Januar 1533 heiratet Heinrich sie heimlich. Das Kind soll nicht als Bastard zur Welt kommen. Anne die Hartnäckige hat ihr Ziel erreicht. Aus römischer Sicht wird Heinrich damit zum Bigamisten, was ihm nicht behagt.
Im April lässt er kurzerhand jede Einflussnahme des Papstes auf Englands Politik und auf Englands Kirche verbieten. Per Parlament und Gesetz, denn als willkürlicher Despot will er wie immer nicht dastehen. Auch Kirchenämter darf in England fürderhin nur er besetzen. Etwa mit Thomas Cranmer, der als neuer Erzbischof von Canterbury Heinrichs Ehe mit Katharina für null und nichtig erklärt. Daraufhin heiratet Heinrich seine Anne ein zweites Mal, diesmal offiziell. Der Papst droht
Weitere Kostenlose Bücher