Sex and Crime auf Königsthronen
mit Exkommunikation. Heinrich zuckt mit den Achseln, und Queen Anne wählt ungerührt ihr persönliches Motto: The most happi of wifes . Die glücklichste aller Ehefrauen.
Am 29. Mai 1533 wird sie in Katharinas ehemaliger Königsbarke zum Tower gerudert. Tausend Kanonenschüsse begleiten die Flussfahrt und ein Gewimmel aus 120 Prunkschiffen, 200 Nachen und einem Schiff mit einem gigantischen Feuer speienden Drachen. Lautenspiel und Fanfarenklang wehen übers Wasser. Anne gleitet unter goldenen Segeln dahin, ihr schwarzes Haar flattert offen im Wind, sie trägt ein goldenes Gewand, das in der Maisonne leuchtet, am Bug ihres Schiffes prangt ein weißer Falke mit Zepter, ihr neues Wappentier; Katharinas Granatäpfel sind von Zimmerleuten sorgfältig entfernt worden. Die Ufer sind von Gaffern gesäumt.
So ist es Tradition, wenn eine künftige Königin zum Tower geleitet wird, um sich dort auf einen Triumphzug zur Kathedrale von Westminster und auf ihre Krönung vorzubereiten.
Heinrich hat zu Ehren Annes einen kompletten Palastflügel des Tower renovieren und einen privaten Palastgarten für sie anlegen lassen. Ihre Gemächer sind mit kostbaren Tapesterien behängt und fürstlich möbliert. Für eine einzige Nacht. Es dürfte die glücklichste gewesen sein, die Anne Boleyn im Tower verbracht hat.
Schon wieder eine Tochter
Annes Krönungsumzug durch Londons Straßen wird am folgenden Tag von sehr verhaltenem Beifall und nur von wenigen Rufen begleitet. Hochrufe sollen es nicht gewesen sein. In Ohrenzeugenberichten heißt es, die gewitzten Londoner hätten lediglich die Initialen des neuen Herrscherpaars skandiert » HA , HA , HA !« So genau wird das niemand gehört haben, denn Musikanten und Theateraufführungen begleiten Annes Krönungszug.
Wenige Monate später kommt Anne mit Heinrichs Kind nieder. Zu ihrem und zu Heinrichs Entsetzen ist es ein Mädchen. Sämtliche Hofastrologen hatten doch das Gegenteil versichert. In längst vorbereiteten Geburtsanzeigen hat Heinrich das Wort Prinz eintragen lassen, nun muss er daraus eine Prinzessin machen. Das Kind ist rothaarig wie er, hübsch und gesund, aber in Heinrichs Augen genauso untauglich für Thron und Regierungsgeschäfte wie ihre ältere Halbschwester Mary.
Das Mädchen wird auf den Namen Elisabeth getauft. In Abwesenheit des Königs. Spaniens Botschafter schwänzt die Taufe ebenfalls und fragt den ausführenden Priester hinterher, ob das Taufwasser für den Bastard der Königshure kalt oder heiß gewesen sei. Der nicht sonderlich königstreue Kleriker antwortet: »Heiß, aber nicht heiß genug.«
Niemand – auch nicht Elisabeths Eltern – konnte damit rechnen, dass der kleine Rotschopf einmal die bedeutendste Monarchin Englands sein würde.
Der Papst fordert Heinrich bei Androhung des Kirchenbanns auf, »die Großhure aus seinem Bett zu werfen«. Zu spät. 1534 müssen Heinrichs handverlesene Bischöfe der Trennung vom Pontifex zustimmen, der in England nur noch der »Bischof von Rom« genannt werden darf. Angenehmer Nebeneffekt: England braucht an diesen ausländischen Bischof keine Kirchenabgaben mehr zu zahlen.
Der knallharte Kopf hinter diesem Gesetz ist Heinrichs neuer Staatssekretär Thomas Cromwell, ein mehr oder minder geheimer Anhänger des neuen Glaubens.
Weil Anne Boleyn erneut schwanger ist, paukt Heinrich per Parlament 1534 zudem ein Gesetz über die Thronfolge durch. Ebenfalls auf Anraten Cromwells. Der heimliche Protestant ahnt, dass Englands Bevölkerung den drohenden Kirchenbann des Papstes schlecht aufnehmen wird.
Ein Kirchenbann, das heißt, Taufen, kirchliche Hochzeiten, die Sterbesakramente – nichts davon darf in England mehr erteilt werden oder stattfinden. Es ist ein massiver, für die Gläubigen höchst verstörender Eingriff in den Alltag.
Cromwell setzt eine neue ideologische Waffe dagegen. Patriotismus. Ein englischer König und die Einheit des Landes sollen sich wichtiger anfühlen als Ehrfurcht vor dem fernen, ausländischen Papst.
Inhaber öffentlicher Ämter und alle, die in Verdacht stehen, nicht auf Heinrichs Seite zu stehen, sollen nun einen Eid darauf ablegen, dass Anne Boleyn des Königs einzige und erste Ehefrau ist und dass nur deren Kinder ein Recht auf die Krone haben.
Heinrich, der Erbe der Rosenkriege, ist schnell überzeugt von Cromwells Gesetzesentwurf. Neu ist: Zum ersten Mal in der englischen Geschichte ist es Hochverrat für jedermann, laut zu zweifeln. Katharina von Aragon ist fürderhin nie Königin
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