Sex und Folter in der Kirche
einmal mit der Zunge den Auswurf eines Patienten auf und empfand Glück, wie sie in ihrer Autobiographie schreibt, als sie ihren Mund mit dem Kot eines Mannes gefüllt hatte, der an Durchfall litt.
Herz-Jesu-Orden, Herz-Jesu-Andacht und Herz-Jesu-Fest der ka-
tholischen Kirche gehen auf diese Visionärin zurück.
Was selten thematisiert wird: Die Amtskirche unterdrückte nicht nur jahrhundertelang die konkurrierenden Alternativen um die
richtige Askese und belauerte die einschlägigen Frauengruppen, vor allem wenn sie von unten kamen und keine Kleriker als Aufpasser vorgesetzt haben wollten.69 Sie setzte, mit Gewalt, auch ihre Auffassungen von Gehorsam, Keuschheit und Armut durch, zog die
Güter der Unterlegenen ein,70 schuf Klöster als totale Institutio-nen71 und sorgte dafür, daß das Monopol künftig bei ihr lag.72 Die patriarchale Institution leistete ganze Arbeit und berücksichtigte dabei so gut wie nie Willen und Bedürfnis der Frauen selbst:73
Zuwendung, Mitmenschlichkeit, Intuition und Empathie galten als Merkmale weiblichen Arbeitsvermögens.74 Während Kirchenmän-247
ner die entscheidenden Plätze in der Organisation besetzten und entsprechende Ideologien schufen, wurden den Frauen die Berufs-rollen des Für-andere-da-Seins auf den Leib geschrieben. Ob der Frauenberuf, der unter Bedingungen der Ausnutzung ausgeübt
wurde, nicht nur die Männergesellschaft befriedete, sondern auch Frauen je ganzheitliche Menschen sein ließ? Die Geschichte der Frauenorden als Geschichte der Ausbeutung religiöser Gefühle ist ebensowenig geschrieben wie die Geschichte der zölibatären Verirrungen unter dem Gesichtspunkt der Brutalität gegen andere.
Eine heutige Ordensfrau: »Trotz meiner Erfahrung würde ich
nicht sagen, daß das Kloster ein Lesbennest ist. Meines Erachtens sind viele Frauen ins Kloster gegangen, um der Sexualität zu entflie-hen, ob lesbisch oder heterosexuell. Der Wunsch, Gott zu gehorchen und sich ihm zu weihen, ist oft zweitrangig bei dem Bedürfnis nach Zölibat und Verleugnung. Das Kloster erscheint als Himmel, eine Welt außerhalb der Gefahren dieser Welt.«75 Wie Liebe zur Legitimation der Unterdrückung von Frauen in der Ehe herhalten mußte,76 wurde sie als Mittel der Unterdrückung von Frauen in den Klöstern instrumentalisiert. Dies konnte durch die Fixierung auf die sogenannte Gottesminne geschehen, aber auch, zumal diese
Ausrichtung den Vorwurf des Heilsegoismus einbrachte,77 durch die Aufforderung zur asketisch gezügelten Nächstenliebe. Die Idee der Hingabe sprach die Ordensgeschöpfe78 lange Zeit an; sie erwies sich vor allem für den in Klosterschulen hinlänglich deformierten fraulichen Sozialcharakter als anziehend.79
Das Produkt der klösterlichen Ausbildung war schließlich jenes perfekte Dienstmädchen, das Demut, Asexualität und Unterordnung unter dem Etikett »Nächstenliebe« verinnerlicht hatte und sich »Schwester« nennen durfte, um als billige Arbeitskraft eingesetzt werden zu können. Dieser Zustand mochte den Ruhm der
Kirche als »der« Institution der Caritas mehren, doch verlangte er unzählige Opfer.80 Nicht nur Geist und Psyche der Klosterfrauen waren jahrhundertelang unterdrückt, auch die Körper dieser Opfer asketischer Folter blieben geschwächt.81 Was Kirchen- und Or-densleitungen den Frauen antaten und wie grausam sich deren
Unterdrückung an pflegebefohlenen Kindern, psychisch Kranken
und Alten rächte, ist ebenfalls nicht aufgearbeitet. Wer es fassen kann, fasse es (Mt 19,12)!
Harte Strafen, in Kindheit und Jugend an sich erfahren, bewirken 248
(wie im Strafvollzug82) in der Sache nichts, doch machen sie häufig aggressiv. Ein überwiegend strafendes Verhalten von Erwachsenen, wie dies in christlich-patriarchalen Familien gang und gäbe ist, bringt entgegen elterlicher Erwartung wenig selbstdisziplinierte Kinder hervor. Das Gegenteil tritt ein: Familien, in denen oft und lustvoll gestraft wird, erzeugen häufiger gewalttätige Kinder als andere.83 Die so Erzogenen reagieren mit Flucht aus dem Vaterhaus, aber auch mit dem Wunsch nach Vergeltung. Die Rache trifft
häufig nicht die Eltern, sondern jene Mitmenschen, die gerade zur Hand sind, sei es im privaten oder im beruflichen Umfeld. Auch die grausamen Vorkommnisse in Klöstern gehören hierzu.
Die im wahrsten Sinne des Wortes in Fleisch und Blut übergegangene Tugend, sich des Körpers und seiner Gefühle, Bedürfnisse, Freuden und Nöte zu schämen,84 weist ihre Heimtücke auf. Askese,
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