Sex und Folter in der Kirche
der täglichen Morgenmesse bestand die Möglichkeit, die ›nächtliche‹ Sünde noch schnell zu beichten (aber gleichzeitig konnten Mitschüler und Vorgesetzte sehen, wer schon wieder das Beichten nötig hatte!)... Denn nicht jeder hatte die Kaltblütigkeit, trotzdem zur Kommunion zu gehen, die ja dann unwürdig sein und ewige Höllenstrafen nach sich ziehen konnte!
Und das Nicht-zur-Kommunion-Gehen wurde auf jeden Fall regi-
striert und führte zu einer Vorladung... ›Sag mal, hast du irgendwelche Probleme...‹«97
Und die handfeste Strafe? Ein Mann, 1949 geboren: »Am 8. Mai
1945 schenkte GOTT hansis vater die erkenntnis, daß das wahre heil nur in der kirche zu finden sei; und da dieser ein kluger mann und seine frau katholisch war, wurde hansi im gleichen geiste erzogen. In seinem 9. lebensjahre brachten ihn die eltern zum tempel, auf daß er fürder dem HERRN diene. Schwer war der
anfang, doch heilsam die gehirnerschütterung, als der glaubenseif-rige kaplan das meßbuch auf hansis unwürdigen kopf herabsausen ließ, weil dieser das confiteor noch immer nicht beherrschte.«98
Das Heim? Ein Zögling, Jahrgang 1959: » Gott wurde uns als lieb und voller Güte geschildert. Seine Diener auf Erden aber waren Menschen, die uns Kindern an den Hals wollten... Die Nonnen
waren es doch, die uns zur Beichte zwangen..., die uns sagten: Ihr müßt uns und somit Gott gehorchen und uns und ihn ehren. Die
Nonnen waren es, die in die Kirche gingen, beteten, den Rosenkranz schwangen und uns Gottesbotschaften einbleuten. Sie waren es auch, die, wenn sie gerade nicht an Gott dachten und sich nicht in der Kirche aufhielten, auf uns kleine Kinder einschlugen, uns erpreßten und uns quälten. Nonnen waren es, die uns zu seelischen Krüppeln machten.«99
Es waren katholische Klosterfrauen, die eine uneheliche Mutter, wörtlich: »das räudige Schaf«, ihr Kind auf offener Straße zur Welt bringen ließen, in Toulouse, in jüngster Vergangenheit.100 Aus Angers und Tours wird berichtet, daß im zwanzigsten Jahrhundert 251
Nonnen in ihrer Wut als »säuerliche Jungfrauen« (G. Clemenceau) die ihnen anvertrauten Kinder mit Ruten und Brennesseln schlugen,101 ihnen befahlen, Waschwasser, Schmutz, den Auswurf von Tuberkulosekranken zu sich zu nehmen. Sechsjährige wurden in
Zwangsjacken gesteckt, Mädchen im Winter nackt an ein Kreuz
gebunden, andere blutig gekratzt. Ein Kind erzählt, es habe Kü-
chenabfälle essen müssen, ein anderes berichtet von Brot, das mit Kuhmist belegt worden war, ein drittes wurde von einer Nonne in einem Saal angebunden, wo es elf Stunden stehen mußte.
Können wir anders, als jene Christen zu verachten, die entschuldigen, abwiegeln? Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Immer wieder finden sich — wenn genau nachgeschaut wird, auch bei sich selbst! — ähnliche Berichte, die von prügelnden Pfarrern und Nonnen erzählen. Von der »lächelnden Furie, deren Name in meine
Kindheit eingebrannt ist«102, einer Nonne, die ein kleines Kind voller Wut in eine Badewanne stieß und unter Wasser festhielt, bis es bewußtlos wurde. Von der Nonne, die ein Kind zur Abschrek-kung mit einem Lederriemen verprügelte und es dann an den Haaren in einen Schweinestall zog, wo es stundenlang, zitternd und völlig verdreckt, verbringen mußte. Von der Nonne, die ein magen-krankes Kind aufforderte, eine Fettsuppe zu essen, ihm die Nase zuhielt, seine blutenden Lippen mit einem Löffel aufpreßte, es vollstopfte, schließlich mit Nackenhieben das Erbrochene aufzues-sen zwang. Kinder mußten zusehen, kotzten reihum.
»Ich suchte«, sagt ein Davongekommener, »in meiner Umge-
bung nach einem Gesicht, das Wärme und Liebe und Fröhlichkeit und Leben ausstrahlte. Ich schaute in viele Gesichter. Doch ich fand keins, wie ich es suchte. Und auch in den Gesichtern anderer Kinder fand ich nichts außer Kälte, Angst und Hoffnungslosigkeit. Sie waren gekennzeichnet von Spuren schlimmster Unterdrückung. Sie lächelten kaum noch, ihre Mienen waren immer ernst und voller Traurigkeit.«103
Die neuzeitliche Vorstellung von der Gebrechlichkeit des Kindes und der Verantwortlichkeit des Lehrpersonals für die Hebung der Moral104 bleibt nicht ohne Folgen. Doch Strafen jeder Art machen am schnellsten und am gründlichsten die einen Menschen zu Sadi-stinnen, die anderen zu Masochistlnnen. Und Schläge sind noch immer wirksamste Argumente in der Erziehung zum Gehorsam.
Ihre Anwendung führt, als direkte Pädagogik, schneller zum
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