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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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auf dem Tisch so eine Szenerie, seine Pistole, die du ja auch kennst, diese Waffe aus dem Zweiten Weltkrieg, angeblich seine, die er behalten durfte, um forensische Tests zu machen, Schusskanal und so weiter. Und dann hatte er ein Stapelchen Zeitungsausschnitte und Kopien. Ich dachte, es geht nun los mit dem Gerichtsmediziner, aber weit gefehlt, wir wurden jetzt über die Wehrmacht belehrt. Also wie es bei ihm überhaupt war – hell begeistert. Er hat durcheinander erzählt und so hektisch, als würde er einem Widerspruch ins Wort fallen wollen, von vornherein. Normal wäre gewesen, dass man jetzt sagt, wollen wir nicht lieber über die gerichtsmedizinischen Sachen reden? Aber wir wollten das gar nicht, wir wollten hören, was er erzählt. Dann wurde er ein bisschen ruhiger, und auch die Erzählung wurde ein bisschen geordneter.
    Er erzählte uns lauter kleine Geschichten, wie er als Junge schwarz über die Grenze gegangen ist, nur um sich drüben mit den Nazis zu treffen. Das war ja in Österreich zu dieser Zeit nicht erlaubt. Er berichtete, wie glücklich alle nach dem Anschluss waren, wie schön das war und was für ein freudiger Anhänger der Nationalsozialisten er war. Es gab ja die Rechtskatholiken, die superschwarz und Nazis waren, vor allem natürlich in Bayern und Österreich oder in Süddeutschland. Die waren sehr gut gelitten und haben auch solide Arbeit gemacht, waren zuverlässig, so Prokop. Das waren gute Nazis und brave Katholiken, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen.
    Jedenfalls hat Prokop dann irgendwie angefangen zu studieren und musste das Studium unterbrechen. 1940 ist er eingezogen worden, nein, hat sich freiwillig gemeldet, ist ausgebildet worden und dann gleich in den Krieg eingerückt. Darüber hat er nicht so viel erzählt.
    Mir auch nicht. Ich kenne nur das Ende mit dem Lager am Rhein.
    Ach so, na er war wohl im Osten und ist als Kriegsgefangener mit einem Kriegsgefangenentransport nach Belgien gebracht worden im offenen Wagen. Darauf hat er immer wieder anklagend hingewiesen, dass nicht nur die Juden in Güterwagen – als wäre das dasselbe und vergleichbar –, sondern auch sie, als Kriegsgefangene, in offenen Kohlenwaggons transportiert worden sind. Die Juden hätten wenigstens noch geschlossene Güterwagen gehabt. Wie die Heringe hätten er und die Kameraden gestanden, ganz eng. Hochdekorierte Soldaten seien sie gewesen, und man hätte von oben herab, von den Brücken, Steine runtergeworfen. Kameraden rechts und links neben ihm seien tödlich verletzt worden – hochdekorierte, was für ein Unrecht.
    Dann ist er von Belgien nach Frankreich gebracht worden, als Gefangener in ein Lager nach Sur-Marne. Da ist er natürlich auch nicht so behandelt worden, wie er sich das vorgestellt hat.
    Wir haben ihm immer wieder gesagt, erinnern Sie sich mal daran, wie Deutsche die russischen Kriegsgefangenen behandelt haben, die hatten nämlich gar keine Chance, die hat man ohne jede Ration verhungern lassen in allen Kriegsgefangenenlagern, in Auschwitz und überall anderswo. In Birkenau war ja dieses riesige Lager, wo über 100 000 kriegsgefangene Russen dem Verhungern preisgegeben worden sind.
    Das wollte er aber nicht hören, wollte nur von sich erzählen. Er hatte nur einen niedrigen Rang und sagte: Wir haben da mit den Offizieren unsere Rationen bekommen, und wir hatten auch Theateraufführungen.
    Das artete immer mehr aus, wie bei den Vätern meiner Generation, die aus dem Krieg zurückgekommen sind. Zuletzt jedenfalls ist er dann wieder zurückverlegt worden nach Deutschland, und er war auf den Rheinwiesen …
    Ja, er hat mir sogar ein Bild davon gegeben.
    Das war wirklich ziemlich wüst, das waren gigantisch große Kriegsgefangenenlager. Was er aber nicht erzählt hat, war, dass sie auf den Rheinwiesen die Leute versammelt haben, um sie durchzuforsten und auszulesen und nach den SS-Nummern [beziehungsweise der Blutgruppe] zu suchen, die waren unterm Arm eintätowiert. Viele haben sich das rausgebrannt mit Zigaretten, mit allen möglichen Mitteln rausmachen lassen oder selbst verätzt mit Säure. Du hast das immer gesehen, da war ’ne Narbe, die war immer an derselben Stelle. Er hatte keine.
    Er ist dann freigelassen worden oder abgehauen. Ich glaube, abgehauen ist er wahrscheinlich nicht. Er ist ein richtiger Angsthase gewesen. Also das war kein Draufgänger, er war Draufgänger in der Theorie.
    Dann ist er nach Bonn, nachdem er da raus war, und war hungrig wie alle. Er hat das

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