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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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verborgen gehalten, er war in keinem Telefonverzeichnis zu finden. Niemand hat Auskunft gegeben. Wenn man im Institut angerufen hat, gab es keinerlei Auskunft über das Verbleiben oder gar über eine Adresse von Herrn Prokop. Er war einfach nicht mehr auffindbar.
    Durch Zufälle und Beziehungen habe ich dann doch erfahren, dass er da ist, nämlich in diesem Institut, und zwar jeden Tag. Ich habe den ersten Kontakt schriftlich aufgenommen und einfach erklärt, dass ich gern mit ihm sprechen und ihn anrufen würde. Dann habe ich im Institut angerufen und wurde tatsächlich durchgestellt.
    Er war sehr misstrauisch. Ich habe gesagt, wir möchten gern ein Porträt machen über Experten, und Sie sind doch der Experte für forensische Medizin, das darf nicht fehlen. Er ließ sich gern und leicht schmeicheln, das hat aber nicht im Geringsten dazu geführt, dass er weicher geworden wäre, als er war. Er hat gesagt nein, auf gar keinen Fall, er macht überhaupt nichts mit den Medien mehr, er habe Angst vor der Presse, die Presse verfolge ihn, und das geht nicht, es täte ihm leid, er kann nicht. Ich hab nicht locker gelassen. Als ich schon kurz davor war aufzugeben, da sagte er plötzlich: Gut, kommen Sie am nächsten Tag, um so und so viel Uhr, ganz früh, und ich war völlig verblüfft.
    Benecke: Was wollte er da wohl?
    Ja, pass auf – wir sind hingegangen, waren dann am Institut. Wir haben uns erst mal im Leichenkeller verirrt, und endlich die richtige Tür gefunden zum Labor und Sekretariat. Wir wurden reingeführt in sein Büro von der Vorzimmerdame.
    Du kennst ja die Szenerie in diesem Genlabor, da saßen die Damen und fühlten sich eigentlich nicht mehr so richtig für ihn zuständig, er war ja längst emeritiert. Sein Büro hatte er nur noch »gnadenhalber«. Das war hinter so einer großen gepolsterten Tür, wie man das früher hatte.
    Kenne ich, ja.
    Und da saß er also drin im gestärkten weißen Kittel mit Fliege um den Hals, stand auf und reichte uns die Hand. Ganz charmanter Österreicher. Es war eher privat eingerichtet. Es gab zwar einen Schreibtisch, der war aber nicht mehr in Funktion. Sein Arbeitsplatz war in diesem quadratischen Raum neben der Tür an der Wand – rechts, wenn du reinkamst – da stand seine Couch mit Couchtisch und Sitzgruppe, daneben ein Stahlschrank – ein Riesenstahlschrank oder Geldschrank –, und das war seine Szenerie, seine Ecke.
    Die ganze Wand dieser Ecke war vollgehängt mit Bildern. Das war völlig rätselhaft für so einen Mann und für so ein Zimmer – es waren fast alles Stillleben. Blumenstillleben, auch so ein paar Porträtsachen von Kindern, ach ja, ein Kinderbild von ihm war auch dabei. Dann hat er gesagt, das sind Gemälde von seiner Mutter, die war Malerin. Von ihr ist übrigens auch ein sehr seltsames Gemälde.
    Das ist ein Bild, ich glaube, relativ groß, so eine klassische Szene, zu sehen ist der Leichnam einer Frau und drum herum die Ärzte und Studenten und mittendrin ER. Ein scheußliches Bild. Es ist ein bisschen narzisstisch, so in Richtung Schamhaarmalerei. Du weißt, was gemeint ist. Da liegt eine Frau mit großen Brüsten, tot, und er wendet sich dem toten Körper zu, und drumrum ist die abflachende Riege, hierarchisch geordnet.
    Seltsam war auch, dass er bei allem, was wir irgendwie angefasst oder angeschaut haben, immer sagte: »Können Sie mitnehmen.« Außer bei der Pistole. Ich hab gesagt, nein, will ich gar nicht, und dann hat er uns doch so ein kleines Bildchen aufgedrängt. Es gehörte zur Merkwürdigkeit seines Wesens in dieser Situation damals einfach dazu, dass er uns ein Bild geschenkt hat von seinem Großvater, der auch gemalt hat. In Österreich gab’s so Herrgottsstelen auf den Wegen, Kreuzwegsteinstelen, und so was hat der Großvater gemalt. Das zweite sehr Auffallende, das war ein brüllend lautes Radio. Musikgedudel. Kennst du das auch?
    Ja.
    Ich sagte, das geht aber nicht. Er sagte: Aber Sie dürfen nicht aufnehmen. Ich sagte, anders können wir es nicht machen, ich kann mir das nicht alles merken, und es wäre schade, wenn ich Ihre Worte falsch wiedergeben müsste oder gar nicht wiedergeben könnte. Ich war ziemlich streng, und er hat ja so eine Mutterbeziehung, desto muttergeprägter diese Männer sind, umso mehr finden sie das dann irgendwie schlüssig und angenehm. Da finden sie sich auch nicht irritiert oder gemaßregelt, sondern tun es einfach. Er hat das Radio ausgemacht.
    Dann konnten wir normal reden und aufnehmen. Er hatte

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