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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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am Fall Hetzel hat er ja gezeigt, dass er wie ein Spürhund auf dieser Spur zur Wahrheit hin geschnürt ist, unbeirrbar. Da hat er es gezeigt, das Prinzip. Aber das war Sport. Es war nicht Wahrheit, es war Sport. Er wollte es ihnen zeigen, er wollte der Bessere sein, er wollte der Einzige sein, der Größte. Und das hat er auch geschafft.

»Er war eine Oase.«
    Interview mit Gerhard Uhlenbruck
    Für dieses Interview besuchte ich Professor Uhlenbruck zu Hause. Seine beiden Wohnungsetagen bestehen fast nur aus Bücherwänden: Wissenschaft und Bücher zur Aphoristik – auf beiden Gebieten hat er auch eigene Werke verfasst. Dazwischen stehen mehrere kunstvoll gestaltete Pappkartons (anstelle von Ordnern) mit Korrespondenzen, hauptsächlich mit Blutgruppenforschern, an erster Stelle natürlich die jahrzehntelange Korrespondenz mit Otto Prokop. Die beiden telefonierten auch häufig und veröffentlichten einen emotionalen und klugen Briefwechsel zwischen guten Freunden.
    Mir ist Professor Uhlenbruck in den 90er Jahren zuerst als Nachbar in einem uralten Gebäude der Universität zu Köln auf der Kerpener Straße in Köln-Sülz begegnet. Zuletzt arbeitete er allein in seinem Emeritus-Zimmer: Man besuchte sich gegenseitig, hatte viel Spaß und dabei keine Ahnung, was der andere genau machte. Es wunderte und freute mich aber sehr, dass sich ein Professor der Medizin in der sehr konservativen Universität Köln für meine Arbeit an genetischen Fingerabdrücken von Fadenwürmern interessierte. Umgekehrt war es genauso.
    Uhlenbruck hatte nicht nur in der physiologischen Chemie in Köln promoviert, sondern im Rahmen der Grippe-Virusforschung zufällig entdeckt, dass ein Enzym dieses Virus (Neuraminidase) bestimmte Blutgruppenmerkmale (M und N) auf roten Blutkörperchen zerstören kann. So kamen zwei scheinbar völlig verschiedene Forschungsgebiete zusammen: Infektiologie beziehungsweise Immunologie und die Biochemie der menschlichen Blutgruppen. Als sich dann noch herausstellte, dass trainierte Hochleistungssportler neben vielen anderen Oberflächen-Molekülen ein Mehr von diesen Blutgruppen-Rezeptoren auf ihren Körperzellen haben, war die Entdeckung einer »Sportimmunologie« nicht mehr fern: Vielleicht erklärte diese Hochregulation von Rezeptoren auch die vermehrte Infekt-Anfälligkeit von Leistungssportlern? Otto Prokop war Blutgruppenforscher und sein Bruder Sportmediziner. Irgendwann musste man sich über den Weg laufen.

    Familie Uhlenbruck, Otto Prokop und sein Fahrer im Jahr 1968 bei einem Aufenthalt in Köln.
    Uhlenbruck: Meine wichtigsten Bücher sind diejenigen, die ich mit Otto Prokop verfasst habe: »Menschliche Blut- und Serumgruppen«, zwei deutsche Auflagen und eine in Englisch. Auf diese Weise wurde ich sogar als einziger Westdeutscher Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.
    Benecke: Wie hat Prokop diese Freundschaft durch die Mauer erlebt?
    Ich glaube, dass Freundschaften in der Wissenschaft gar nicht so selten sind und oft die Basis für außergewöhnliche Entdeckungen. Dass hier die Mauer fast keine Rolle spielte, lag sicher auch an der Sonderstellung von Otto Prokop in der DDR als »westdeutscher Österreicher«. Otto Prokop war ein Privilegierter, und das mit Recht. Er war als hervorragender Rechtsmediziner jemand, der, wie Professor Graffi und Professor Katsch oder Professor Manfred von Ardenne, der DDR zu internationalem Ansehen verhalf.

    Prokops biowissenschaftliche Arbeiten standen in der Tradition unter anderem der sehr bekannten, forschenden Ärzte Karl Landsteiner und Fritz Schiff sowie des weniger bekannten schwedischen Bakteriologen John Forssmann (1868–1947). Sie stellten fest, dass »serologisch verwandte Substanzen in Zellen von Tierarten auftreten, die nach ihrer Stellung im zoologischen System weit voneinander abstehen« (Landsteiner). Hier eine Abbildung, die die Verteilung von Blutgruppen in ganz verschiedenen Lebewesen-Gruppen zeigt. Werner Köhler, Gerhard Uhlenbruck und Otto Prokop untersuchten in diesem Zusammenhang beispielsweise erfolgreich Bakterien, Bohnen und Schnecken. Eins der Forschungsergebnisse war das bis heute in der Forschung verwendete Helix-Lektin.
    Nach dem Fall der Mauer war es für ihn unfassbar, dass seine geniale wissenschaftliche Leistung und die Arbeit als Hochschullehrer für Generationen von Studenten, die er für w issenschaftliches und kritisches Denken begeistern konnte, nicht die Anerkennung fanden, die er verdient gehabt hätte. Prokop empfand

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