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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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denn überhaupt irgendjemand sagen sollen?
    Es hätte jemand sagen müssen: Worüber befinden wir? Es geht um die Leistung dieses Mannes für die Akzeptanz der Rechtsmedizin als akademische Fachdisziplin in Deutschland und weltweit. Wenn dieser Mann nicht Ehrenmitglied wird, wer soll es dann werden?
    Man hatte ja nicht über Verhaltensweisen in der sehr komplizierten deutsch-deutschen Gemengelage zu befinden. Mir sind keine Verfehlungen von Prokop bekannt, die der Ehrenmitgliedschaft im Wege gestanden hätten.
    Das Argument war ja auch nur, wir wollen die DDR ausbluten lassen.
    Nein. So habe ich es nicht verstanden.
    Was hat der Gegenredner denn dann gesagt?
    Er hat – so meine Erinnerung – gemeint, dass Prokop sich gewissermaßen angedient habe. Sollte der Anwesende vom »Ausbluten« der DDR gesprochen haben, stellt sich die Gegenfrage: Was hat das alles mit der Ehrenmitgliedschaft von Otto Prokop zu tun?
    Eben.
    Beispielhaft zum Zustandekommen des Vorwurfes, Prokop habe sich »angedient«, sei der Todesfall an der Grenzübergangsstelle Dreilinden-Drewitz genannt. Der Tod eines Mannes in der DDR- Kontrollstelle ließ bei westdeutschen Journalisten den Verdacht aufkommen, dass Gewalt angewendet worden sei . Die Untersuchungen im Prokopschen Institut erbrachten dafür keine Anhaltspunkte. Selbstverständlich wurde das Untersuchungsergebnis vom Politbüro der SED auch propagandistisch ausgenutzt. Das Sektionsergebnis entsprach offensichtlich den objektiven Befunden und wurde so durch das Hamburger Institut für Gerichtsmedizin bestätigt. Vielleicht entstand der Vorwurf dadurch, dass er als Leiter des bedeutendsten Institutes in der DDR mit seiner Ausstrahlung und Eloquenz für politisch relevante Fälle häufig in Anspruch genommen wurde. Er wollte der Gerichtsmediziner in seiner Wahlheimat sein. Also stand er zur Verfügung.
    Als Sie vorhin sagten, Sie waren fünf Monate in Berlin – was war denn das Eindrucksvollste oder Interessanteste, mal abgesehen davon, dass Berlin an sich eine aufregende Stadt war?
    Schwierig. Ich fühlte mich da von den Berliner Kollegen meiner Generation alleingelassen. Das war für mich enttäuschend. Die Kollegen hätten ja mit mir auch mal in die Kneipe gehen oder andere Dinge unternehmen können. Allerdings: Ich war Gast im Arbeitsbereich Serologie und habe mich wohl nicht aktiv um die gelegentliche Teilnahme am Obduktionsbetrieb gekümmert. Insofern lag es vielleicht auch an mir, wenn ich mich von den ärztlichen Kollegen alleingelassen fühlte.
    Hatte man vielleicht Angst vor Ihnen, wegen Ihres alten Chefs? Gab es eine Anweisung, mit Ihnen nicht einen trinken zu gehen, oder wie erklären Sie sich das?
    Das weiß ich nicht, halte es aber für unwahrscheinlich.
    Das Allerletzte dann noch: die Leiche von Rosa Luxemburg.
    Ach so, die Geschichte. Ich habe den Torso noch vor meinem geistigen Auge.
    Stimmt es, dass Prokop davor Prüfungen abgehalten hat? Der Torso sei ständig mitten im Raum gestanden.
    Dazu ist mir nichts bekannt. Die Fama, dass es sich um Überreste von Rosa Luxemburg gehandelt hat, existiert irgendwie.
    Aber haben Sie ihn gesehen?
    Den Torso habe ich – sehr wahrscheinlich – gesehen.
    Wo stand der denn, als Sie ihn gesehen haben?
    Die Erinnerungen liegen 25 Jahre zurück und werden nun überlagert von den Bildern der 2009 wieder aufgeflammten Diskussionen um den Leichnam. Ich möchte mich deshalb nicht abschließend festlegen. In meiner Erinnerung befand er sich in diesem Durchgang des alten Leichenschauhauses, wo auch besonders skurrile Objekte zu besichtigen waren: Brandleichen, Schussverletzungen im Schädel …
    Also einfach als Beispiel für eine Wasserleiche.
    Ja, aber ohne den direkten Bezug zu Rosa Luxemburg.
    Meinen Sie denn, es wäre politisch wichtig gewesen, wenn sie es gewesen wäre?
    Ja.
    Wäre es gut oder schlecht gewesen, das zu identifizieren?
    Zwiespältig. Ein Fehler bei der Identifikation mit damals doch sehr eingeschränkten Möglichkeiten ohne Computertomografie und ohne DNA- Technologien hätte selbst für ihn gefährlich werden können. Vielleicht hat er Weiterungen befürchtet.
    Aber was wäre daran schlecht? Dass Rosa Luxemburg umgebracht wurde, war doch eigentlich klar.
    Gewiss. Es war Pflichtthema in der Schule: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und der Landwehrkanal und die Offiziere und die Verstrickung der SPD- Regierung; damit sind wir aufgewachsen.
    Aber dann wäre es doch eigentlich eher gut gewesen zu beweisen, dass die Leiche

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