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Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)

Titel: Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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tatsächlich eine Wasserleiche war.
    Ja, dass es eine Wasserleiche war, war ja augenscheinlich.
    Ich meine das eher anders, politisch.
    Naheliegend: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren Ikonen der DDR- Geschichte und spielten im Selbstverständnis der DDR eine große Rolle. Sie waren Kommunisten von altem Schrot und Korn, klug und weltgewandt. Der Kult grenzte an missbräuchliche Heiligenverehrung, was schlaglichtartig am Umgang der DDR- Oberen mit dem berühmten Zitat von Rosa Luxemburg zur »Freiheit des Andersdenkenden« deutlich wird. Da existiert ein Torso von Rosa Luxemburg, der jetzt in der Gerichtsmedizin liegt, und wir haben es nicht gewusst? Undenkbar, aber ich ergehe mich in Spekulationen.

»Wenn Sie nach Wien reinkommen, dann nehmen Sie die erste Querstra ß e rechts …«
    Bericht von Rudolf Wegener
    Peter Neumann hat eine kriminalistische Ausbildung an der Humboldt-Universität durchlaufen. Dort traf er auch auf Professor Prokop.
    Er arbeitet heute als Leiter einer Potsdamer Jugendeinrichtung – einem ehemaligen Jugendclub, wie es sie in der DDR sehr zahlreich gab. Die Stelle erhielt Neumann unter anderem, weil man ihm wegen seiner kriminalistischen Kenntnisse zutraute, auch schwierigere Klienten im Griff zu haben.
    Den folgenden Bericht schrieb er, nachdem ich im Jugendclub eine Veranstaltung für Kids durchgeführt hatte.
    Ich habe mich für das Studium an der HU (Humboldt-Universität, Ostberlin) für die Sektion Kriminalistik in der zwölften Klasse der Erweiterten Oberschule ( EOS, heute Gymnasium) beworben. Angenommen wurde ich unter der Voraussetzung, drei Jahre zur NVA (Armee) zu gehen. Eigentlich waren nur eineinhalb Jahre Pflicht für jeden Mann, aber drei Jahre waren nötig, um dieses Studium aufzunehmen. Also habe ich das getan.
    Das Studium selbst dauerte vier Jahre im Direktstudium. Es musste auch in dieser Zeit durchgezogen werden, ohne Wenn und Aber. Ein längeres Studium, so wie mitunter heute üblich, war nicht drin. Hatte man zwei Prüfungen nicht bestanden – also zweimal mit der Note 5 –, war das Studium sofort beendet.
    Wir waren vier Seminargruppen in einem Studienjahr mit etwa 20 bis 25 Studenten pro Seminargruppe.
    Die Fachrichtungen waren sehr breit gefächert. So hatten wir unter anderem ATM , also Allgemeine Theorie und Methodik der Kriminalistik, das war sehr theoretisch. Wir hatte auch Psychologie, Psychiatrie (allgemein und forensisch), Chemie, Rechtswissenschaften, Staatsrecht, Sport und natürlich Gerichtsmedizin, heute Rechtsmedizin genannt.
    Wie jeder Student habe ich auch ein halbjähriges Praktikum absolvieren müssen, was übrigens sehr interessant war. Da hat man schon einen besseren Einblick in die Kriminalitätsentwicklung und ihre Auswirkungen in der damaligen Hauptstadt der DDR, Berlin, gewinnen können.
    Die VP (Volkspolizei), Inspektion Berlin-Prenzlauer Berg, war »mein Revier«, und ich habe alles erleben dürfen – vom einfachen »Karnickeldiebstahl« bis hin zu Straftaten gegen Leben und Gesundheit. Das war sehr lehrreich und für mich als Praktiker – Theorie muss sein, war aber noch nie mein Ding – einfach erlebnisreich.
    Professor Prokop durfte ich im zweiten Studienjahr kennenlernen, wo das Fach »Gerichtsmedizin« gelehrt wurde. Eine Unterrichtseinheit von zwei Stunden pro Woche fand bei ihm im Institut in der Berliner Hannoverschen Straße statt.
    Wir saßen im großen Vorlesungsraum und hörten seinen Ausführungen gespannt zu. Das ist keine Übertreibung, es war wirklich so. Zumal er auch politisch eine Persönlichkeit darstellte. Ein Österreicher als Institutsleiter – also einer aus dem »Westen« –, und das in der sozialistischen DDR.
    Legendär war auch sein Outfit, immer eine andere Fliege um den Hals und auch sonst auf gewisse Etikette bedacht.
    So musste immer die erste Reihe im Raum leer bleiben, die war seinen »Untergebenen« vorbehalten. Davon saßen immer zwei jeweils ganz links und rechts (unter anderem auch sein späterer Nachfolger Dr. Gunther Geserick). Diese hatten die Aufgabe, ihm beim Eintreten beziehungsweise Verlassen des Raumes die Tür zu öffnen. Ferner musste einer von beiden immer die von Professor Prokop vollgeschriebene Tafel abwischen. Wirklich kein Witz, das war so!
    Auch sein österreichischer Dialekt war legendär. Es kam auch schon mal vor, dass Prokop »Innereien« von Verstorbenen in die Vorlesung mitbrachte – ich erinnere mich an innere Organe wie Leber, Nieren et cetera, und an den Kehlkopf

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