Seziert: Das Leben von Otto Prokop (German Edition)
seinem Institut bis zur Grenze – kurzer Fußweg, Zeitung kaufen und wieder zurück in den Osten.
So sind wir häufiger in den Genuss gekommen, die aktuelle Bild zu lesen. Für uns als Kriminalistik-Studenten hatte das schon etwas.
Ich erinnere mich noch daran, dass Prokop ein entschiedener Gegner der Paramedizin war. So kam er des Öfteren in seinen Vorlesungen wie auch – sofern das möglich war – in persönlichen Gesprächen darauf zurück und bezeichnete diese in seinem österreichischen Dialekt immer als Humbug, dabei wild gestikulierend. War übrigens auch so ein Markenzeichen von ihm: beide Hände in Kopfhöhe haltend und dabei leicht wedelnd herumschlagend. Wirklich schwer zu beschreiben.
Zur Paramedizin beziehungsweise zum Okkultismus noch eine Anekdote: In einer Vorlesung erzählte er uns einmal, wie er zu diesem Thema einen Vortrag mit sich anschließendem Experiment vor hohen Polizeioffizieren hielt. Diese verblüffte er mit einem Experiment, bei dem er sich einen im Publikum sitzenden Polizisten herauspickte und ihm vor versammeltem Auditorium alle Angaben zu seiner Person nannte, darunter Name, Geburtsdatum, Augenfarbe und Körpergröße. Diese Angaben gab der damalige Personalausweis der DDR her, den jeder bei sich zu tragen hatte. Alle Anwesenden staunten nunmehr, woher Prokop das alles wusste, obwohl er diesen Polizisten gar nicht kannte. Er gaukelte allen vor, dass er übersinnliche Kräfte hätte, und sogar die hohen Offiziere glaubten schon daran. Du ahnst sicherlich des Rätsels Lösung, oder?
Prokop hatte vor Beginn der Veranstaltung einen seiner »Einlasser« damit beauftragt, sich eine Person mit samt den Daten aus dem Ausweis zu merken und genau darauf zu achten, wo diese sich hinsetzte. So war es für ihn ein Leichtes, später den Zauberkünstler zu spielen, und er räumte wieder mit allen Okkultismus-Theorien, was übersinnliche oder esoterische Kräfte betrifft, auf.
Er konnte sich beim Vortragen dieser Story ein Schmunzeln nicht verkneifen, zumal es sich bei dem genannten Personenkreis doch um hohe staatliche Würdenträger handelte, die aufgrund ihrer sozialistischen Gesinnung an Derartiges nicht glauben sollten. Er hatte wieder mal allen ein Schnippchen geschlagen.
»Wie hätten Sie denn gehandelt?«
Interview Volkmar Schneider
Professor Volkmar Schneider war von 1983 bis 2006 Leiter des Institutes für Rechtsmedizin an der Freien Universität Berlin (FU) und damit Nachfolger von Professor Walter Krauland (1912–1988) . Nach der Zusammenlegung der beiden Berliner Universitätsinstitute (Freie und Humboldt-Universität) war er auch zuständig für das alte Charité-Institut und damit Nachfolger von Professor Gunther Geserick, der wiederum der Nachfolger von Professor Prokop war.
Schneider ist Ehrendoktor der Semmelweis-Universität in Budapest und der Medizinischen Akademie in Wrocław/Breslau. Im Jahre 2004 erhielt er das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Er ist Autor/Mitautor beziehungsweise Herausgeber von mehr als sechzig Büchern (unter anderem »Farbatlas der Rechtsmedizin«). Seine jüngste Publikation beschäftigt sich mit der jüdischen Ärztefamilie Straßmann, der auch einer von Schneiders Vorgängern, der bekannte Gerichtsmediziner Fritz Straßmann, angehörte. Schneider ist Ehrenmitglied vieler ausländischer rechtsmedizinischer Fachgesellschaften.
Während seiner aktiven Zeit war Schneider in verschiedenen akademischen Positionen tätig, unter anderem als Dekan und Vizepräsident der Freien Universität Berlin und als Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin.
Professor Schneider ist neben Professor Wegener der einzige Rechtsmediziner, der sich zu Professor Prokop geäußert hat. Ich danke ihm dafür sehr. Da seine Antworten sehr flüssig sind, habe ich meine Fragen im Folgenden herausgelassen.
Ostberlin war für uns im Westen immer »drüben«. Mit unseren beiden Kindern waren wir häufig drüben, und zwar immer am 17. Juni [am 17. Juni 1953 kam es zu einem Aufstand in der DDR , der militärisch niedergeschlagen wurde; 1954–1990 im Westen als »Tag der Deutschen Einheit« als Feiertag begangen]. Da hatten wir frei, in der DDR war natürlich ein normaler Arbeitstag. Wir fuhren immer mit mehreren Familien rüber. Dazu brauchte man ein Tagesvisum. Das bedeutete auch Zwangsumtausch.
Für die 30 D-Mark gingen wir essen – man wurde selbstverständlich platziert, auch wenn alles frei war. Das
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