SGK240 - Blut des toten Dämons
sein.
Es ging zwischen Grabreihen entlang und direkt
auf eine Grabstätte am äußersten Ende des Friedhofs in der hintersten Ecke zu,
die wie eine Krone über all diesen verfallenen, unwirklichen Gräbern wirkte.
Die Grabstätte war dreimal so groß wie ein
normales Grab und von dunklen, mit der Hand bearbeiteten Steinen umsäumt. Die
Steine hatten die Form einer Kugel und waren alle mit tief eingeritzten Furchen
und Kerben versehen, die ein mäanderartiges Muster ergaben.
Das ganze Grab bestand aus einer einzigen
schwarzen, grobgehauenen Platte, die wie ein Deckel die Gruft verschloss.
Auf der Platte waren kein Name, kein Geburts- oder Sterbedatum zu sehen.
Als Pierre Rochard, von seinen Entführern noch
immer festgehalten, am Fußende dieser auffallend großen Grabstätte stehenblieb,
kam Bewegung in die anderen Vermummten, die sich eingefunden hatten.
Rochard wagte es, flüchtig zu schätzen und
nahm an, dass knapp hundert Menschen sich auf diesem düsteren Friedhof unter
der Erde eingefunden hatten.
Rochard merkte nicht, dass seine beiden
Begleiter nun losließen. Sich selbst zu befreien und Hals über Kopf die Flucht
zu ergreifen, den Weg zurückzurennen, den er gekommen war dieser Gedanke war
noch nicht in seinem Bewusstsein verankert.
Pierre Rochard war noch nicht wieder der Alte.
Ihm fehlte einfach die Kraft, aus eigenem Antrieb etwas zu unternehmen. Das Betäubungsgift
in seinem Körper zeigte noch seine Nachwirkungen.
Rochard stierte wie ein Trunkener auf die grob
gehauene Grabplatte und richtete den Blick dann aufwärts.
Erst jetzt nahm er wahr, dass hinten an der
Wand aus lehmiger Erde ein düsteres Bild hing, das sich von der Dunkelheit kaum
abhob.
Auch dieses Bild zeigte einen Friedhof. In der
Ferne leuchtete ein riesiger Mond, der sich gerade über die Horizontlinie erhob
und eine gespenstisch beleuchtete Atmosphäre schuf.
In dem trüben Licht, den fahl schimmernde
Nebelstreifen, die über den alten, verwitterten Grabstätten wie Schleier
hingen, stieg eine Gestalt empor, die wie beschwörend vor einem Hügel stand und
einen roten, weit fallenden Umhang trug.
Pierre Rochard setzte einen Fuß nach vom. Es
war der erste Schritt, den er allein ging, seitdem er sich hier unten an dieser
eigenartigen Stätte zwischen den Gruppen einer verschworenen Gemeinschaft
befand. Rochard bewegte sich wie auf Eiern und fürchtete, jeden Augenblick
stürzen zu müssen.
Es gelang ihm sichtlich nur unter größten
Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.
Er ging an der Grabstätte vorüber, um das Bild
aus allernächster Nähe betrachten zu können.
Eigenartigerweise zog ihn die
Darstellung beinahe magnetisch an.
Aus der Nähe sah er die Gestalt, die da in
beschwörender Pose mitten auf einem alten Friedhof stand, klarer vor sich.
Jetzt war auch zu erkennen, dass es sich bei
dem Mann um einen Europäer und nicht um einen Eingeborenen handelte.
Der Mann hatte ein ovales Gesicht große,
spitze Ohren und einen länglichen, eierförmigen Schädel, der vollkommen
unbehaart war.
Mit aufgerissenem Mund, so dass das kräftige
weiße Gebiss wie das eines Tieres gefletscht war, stand er vor dem Betrachter
und schien in diesem Augenblick einen schrecklichen Befehl von sich zu geben.
Rochard drehte sich wie unter innerem
Zwang langsam um.
Die Gruppe der vermummten Verschwörer bildete
einen dichten Halbkreis um diese vergrößerte Grabstätte. Plötzlich ging ein
Raunen durch die Gruppe der Vermummten, und wie auf ein stilles Kommando hin
öffnete sich eine Gasse, die genau zu der Grabstätte führte.
Eine alte Frau kam von der anderen Seite des
Friedhofs zwischen den windschiefen Grabsteinen und zusammengesunkenen
Grabhügeln direkt auf Pierre Rochard zu.
Die Frau bewegte sich erstaunlich elastisch,
obwohl ihr Gesicht faltig und voller Runzeln war und sie bestimmt schon siebzig
oder gar achtzig Jahre alt war.
Diese Frau war niemand anders als Ashelma, die
Besitzerin des kleinen Hotels von Tatakoto.
*
Als sie vorn bei den Vermummter angekommen
war, nahmen die alle wie auf ein stilles Kommando hin ihre Arme im die Höhe und
zogen die Kapuzen ab.
Pierre Rochard schluckte.
Die meisten der Umstehenden kannte er
und blickte in vertraute Gesichter.
Ganz vom waren die Söhne der Eingeborenenfrau
Ashelma, die anderen waren Bewohner des Dorfes, in dem er seinen Urlaub
verbrachte. Fast das gesamte Dorf war hier um diese Stunde versammelt, während
draußen ein Unwetter tobte.
Aber nicht nur die
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