Shades of Grey - Geheimes Verlangen: Band 1 - Roman (German Edition)
einfach nie, woran ich mit ihm bin.
»Ana Steele?« Eine Frau mit einer schwarzen Mähne und demselben lässigen Look wie die Empfangsdame reißt mich aus meinen Grübeleien. Ich schätze sie auf Ende dreißig, vielleicht auch Anfang vierzig.
»Ja.« Verlegen stehe ich auf.
Sie sieht mich aus ihren kühlen, haselnussbraunen Augen an und lächelt höflich. Ich trage eines von Kates Kleidern, ein schwarzes Trägerkleid mit einer weißen Bluse, und meine schwarzen Pumps dazu. Genau das Richtige für ein Vorstellungsgespräch, finde ich. Mein Haar habe ich zu einem strengen Knoten frisiert, aus dem sich ausnahmsweise keine widerspenstigen Strähnen lösen. Sie streckt mir die Hand entgegen.
»Hallo Ana, ich bin Elizabeth Morgan, die Leiterin der Personalabteilung.«
»Wie geht’s?« Ich schüttle ihr die Hand. Für eine Personalchefin wirkt sie ziemlich locker.
»Bitte, kommen Sie doch mit.«
Wir treten durch eine Doppeltür hinter dem Empfangstresen in ein hell möbliertes Großraumbüro. Sie führt mich in einen kleinen, hellgrün gestrichenen Konferenzraum mit Fotos von den Covern der veröffentlichten Bücher an den Wänden. Am Kopfende des Konferenztisches aus Walnussholz sitzt ein rothaariger, junger Mann mit einem Pferdeschwanz und kleinen silbernen Ohrringen. Er trägt ein hellblaues Hemd ohne Krawatte und eine hellgraue Freizeithose. Als ich auf ihn zukomme, erhebt er sich und sieht mich aus dunkelblauen Augen an.
»Ana Steele. Ich bin Jack Hyde, Cheflektor bei SIP. Freut mich sehr, Sie kennen zu lernen.«
Wir schütteln einander die Hand. Der Ausdruck in seinen Augen ist schwer zu deuten, aber durchaus wohlwollend, soweit ich erkennen kann.
»Hatten Sie einen weiten Weg hierher?«, erkundigt er sich freundlich.
»Nein, ich bin vor ein paar Tagen in ein Apartment am Pike Place Market gezogen.«
»Das ist ja direkt um die Ecke. Bitte, setzen Sie sich doch.«
Ich nehme Platz. Elizabeth setzt sich auf einen Stuhl neben ihm.
»Weshalb möchten Sie ein Praktikum bei SIP machen, Ana?«, fragt er.
Er spricht meinen Namen ganz sanft und mit schief gelegtem Kopf aus – in derselben Art wie ein anderer Mann, den ich kenne. Ich schiebe den absurden Argwohn, den diese Geste in mir auslöst, beiseite und gebe meine sorgsam geprobte Antwort zum Besten. Eine rosige Wärme breitet sich auf meinen Wangen aus, als ich meine Gesprächspartner abwechselnd ansehe. Eines der
Prinzipien aus Katherine Kavanaghs Vortrag »Wie führe ich ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch« kommt mir wieder in den Sinn: Immer schön Blickkontakt halten, Ana! Lieber Himmel, auch Kate ist Expertin darin, andere herumzukommandieren. Jack und Elizabeth hören mir aufmerksam zu.
»Ihr Notendurchschnitt ist ja ziemlich beeindruckend, Ana. Welchen extracurricularen Aktivitäten haben Sie denn während des Studiums gefrönt?«
Extracurriculare Aktivitäten? Gefrönt ? Ich sehe ihn verblüfft an. Was für eine merkwürdige Wortwahl. Ich erzähle von meiner Tätigkeit in der Uni-Bibliothek und der einmaligen Erfahrung, einen obszön wohlhabenden Despoten für die Studentenzeitung zu interviewen, wobei ich die Tatsache, dass ich den Artikel anschließend nicht selbst verfasst habe, geflissentlich unter den Tisch fallen lasse. Dann schildere ich meine Tätigkeit für die beiden Literaturclubs, denen ich angehört habe, und erzähle von meinem Job bei Clayton’s und den dort erworbenen völlig nutzlosen Kenntnissen über Eisenwaren und alles andere, was der Heimwerker so wissen muss. Sie lachen beide – genau die Reaktion, die ich erhofft habe. Allmählich entspanne ich mich.
Jack Hyde stellt mir eine Reihe forscher, intelligenter Fragen, von denen ich mich allerdings nicht aus dem Konzept bringen lasse. Und auch als die Rede auf meine Lieblingsautoren und -bücher kommt, schlage ich mich recht wacker. Jack scheint sich ausschließlich mit der amerikanischen Literatur nach 1950 zu beschäftigen; keine Klassiker – nicht einmal Henry James, Upton Sinclair oder F. Scott Fitzgerald. Elizabeth sagt gar nichts, sondern macht sich lediglich Notizen und nickt ab und zu. Jack ist zwar ein streitlustiger, aber durchaus charmanter Gesprächspartner, und ich ertappe mich dabei, dass mein anfänglicher Argwohn mit jeder Minute abnimmt.
»Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?«, erkundigt er sich.
An Christian Greys Seite , schießt es mir unwillkürlich durch den Kopf. Ich runzle die Stirn.
»Als Lektorin, vielleicht? Oder als Literaturagentin.
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