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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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offensichtlich Anna, weshalb Elena zögerte, sie sich auszuleihen. Es schien fast unwahrscheinlich, dass sie je in der Lage sein würde, sie ihr zurückzugeben. Sie konnte nur hoffen, dass Mikhail seine Angestellte großzügig entschädigte.
    Dann warf sie einen Blick in den Spiegel - und schrak zusammen.
    Sie duschte schnell. Es gab zwar kaum heißes Wasser, aber sie genoss es, sich einzuseifen und ungestört zu sein. Anschließend trocknete sie sich ab und zog eine enge Jeans und einen leichten grünen Rollkragenpullover an, der die Fingermale auf ihrem Hals verdeckte. Dass ihre Verletzungen nicht mehr zu sehen waren, erleichterte sie. Über die
    Prellung auf ihrer Wange strich sie eine dicke Grundierung. Jetzt sah sie besser aus, gesünder, nicht mehr wie ein Opfer.
    Sie verließ das Badezimmer. Amiri und Rik schienen sich in ihrer Abwesenheit nicht gerührt zu haben, und sie fragte sich, ob sie auch nur miteinander gesprochen hatten.
    »Sie sehen besser aus«, erklärte Rik, der damit offenbar Amiris Vorwurf, er wäre »bockig«, entgegenwirken wollte. »Ich meine das nicht unhöflich. Sie sehen wirklich besser aus.«
    »Danke.« Elena fragte sich, wie lange Artur noch brauchte und ob es ihm gut ging.
    Du könntest nach ihm fühlen, flüsterte etwas in ihr. Ihr seid immer noch verbunden. Sozusagen.
    Sie versuchte es. Sie versuchte es nach Kräften, fühlte jedoch nichts. Bisher hatte sie diese Verbindung nur in Notfällen geschlossen, als er bewusstlos war oder sie sich berührten. Dabei war die treibende Kraft dahinter ihr Instinkt gewesen. Sie hatte nicht nachgedacht, sondern es einfach nur getan.
    Elena gab auf. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie geglaubt hatte, sie wäre zu einem anderen Wunder fähig, drückte ihre Stirn gegen die Fensterscheibe und starrte auf die Fußgänger hinunter, auf die Autos, und sog den Geruch und die Geräusche einer russischen Hafenstadt in sich auf.
    Bis sie ein Paar grüner Augen bemerkte, die zurückstarrten. Und braunes Haar.
    Der stille Mann lächelte.
    Elenas Furcht schnitt wie der feine Draht einer Garotte durch Arturs Herz: würgend schien sie ihm den Atem seiner Seele abzuschneiden. Er sprang auf, stieß den Stuhl dabei um und verschüttete Wodka auf den Tisch und seine Hose. Mikhail schrie erschrocken auf. Artur erklärte nichts, sondern rannte nur hinaus.
    Die amerikanischen Touristen waren verschwunden. Anna saß hinter dem Empfangstresen und feilte wieder ihre Fingernägel. Artur fasste das Mädchen am Arm und zog sie unsanft hoch. Annas Kiefer klappte herunter, und sie starrte ihn so entsetzt an, als wäre er der leibhaftige Tod. Artur achtete nicht darauf.
    »Wo sind sie?« Er schrie sie verzweifelt an. »Wohin haben Sie Elena gebracht?«
    »Artur!«, brüllte Mikhail, der ihm stolpernd in den Flur folgte. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Elena!«, schrie Artur und schüttelte Anna. »Sagen Sie’s mir!«
    »Artur!« Elena rief seinen Namen leise, aus größerer Entfernung. Artur ließ das Mädchen los, stürmte die Treppe hinauf und hörte dabei seine polternden Schritte. Elena erschien; Amiri und Rik folgten ihr auf dem Fuß. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, ihre Wangen waren gerötet. In der rechten Hand hielt sie die Pistole.
    »Er ist hier«, zischte sie und packte Arturs Arm, während sie über die Schulter einen Blick auf die Eingangstür des Hotels warf. »Vorn können wir nicht raus.«
    Artur berührte Elenas Hand, um ihr die Waffe abzunehmen, und sah im selben Augenblick, was ihr so viel Angst eingejagt hatte. Charles Darling hatte sie gefunden. Charles Darling hatte ihr in die Augen geblickt und gelächelt.
    »Mikhail!« Artur sah Elena in die Augen. »Ich brauche das, worüber wir gesprochen haben, und ich muss darauf bestehen, dass du es mir sofort gibst, ohne weitere Fragen.«
    »Ist es so schlimm?«
    »Schlimmer.« Artur ließ Elena los und zog dabei die Waffe aus ihrer Hand. Vorsichtig trat er zur Eingangstür des Hotels und spähte durch das Glas auf die Straße. Er konnte Charles zwar nicht sehen, aber das hatte nicht viel zu sagen. Der Mörder konnte schon im Gebäude sein. Artur schloss die Tür ab.
    »Artur.« Mikhail sprach leise und hart. Artur erwartete Fragen, Forderungen. Was er stattdessen aber hörte, war: »Was brauchst du?«
    Artur ging wieder zu den anderen zurück. Amiri knöpfte bereits sein Hemd auf. Seine Augen leuchteten scharf, seine Zähne waren hinter den halb geöffneten Lippen zu sehen. Artur schüttelte

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