Shadowblade 02 - Schwarzes Feuer
mir, was du brauchst.«
Max rieb sich über den Mund. Der schnellste Weg nach Horngate führte durch Winters zurück zum Freeway. Der Rauch würde Jim jedoch ganz sicher umbringen, wahrscheinlich auch die anderen. Vorausgesetzt, die Gestaltwandler gaben ihnen nicht schon vorher den Rest.
Die einzige andere Möglichkeit bestand darin, den Rauch auf der Straße zu durchqueren, an der sie und Alexander ihr Auto zurückgelassen hatten. In dem Fall mussten sie hoffen, den Obake zu entkommen und sich nicht zu verlaufen. Es war der kürzere Weg durch den Rauch, aber dafür würden sie auf der falschen Seite von Winters herauskommen. Sie würden sich beeilen müssen, um es zur Küste zu schaffen, bevor die roten Winde der Magie sie im Tal einschlossen.
»Das sind unsere Möglichkeiten«, schloss sie, nachdem sie ihre Überlegungen erläutert hatte. »Es sei denn, jemand von euch hat eine bessere Idee.«
Das war nicht der Fall.
»Was ist mit euren Leshii-Freunden?«, fragte Max ihren Vater. »Können die uns irgendwie helfen?«
Peinlich berührt zuckte er mit den Schultern. »Meistens bleiben sie unter sich. Ich wollte mit ihnen reden, als der Rauch gekommen ist, aber sie haben sich einfach in Gras und Bäume verwandelt.«
»Sie sind in ebenso großer Gefahr wie wir«, bemerkte Alexander. »Solange der Schutzkreis hält, sind sie halbwegs sicher, wenn der Rauch sie nicht stört. Aber sobald er zusammenbricht – was früher oder später passieren wird – oder die Hüter persönlich jemanden schicken, um ihn zu zerstören, werden die Obake die Leshii aufspüren und töten.«
Max stand auf. »Ich spreche mit ihnen. Kannst du mich zu ihnen führen?«
»Ich mache das.« Kyle stand auf.
Sie blickte zu Alexander. »Geh nachschauen, was uns an Fahrzeugen zur Verfügung steht.« Sie schaute ihren Vater an. »Und Waffen. Alles, was ihr habt.«
Sie ging Richtung Vordertür. Auf dem Weg durchs Wohnzimmer fiel ihr ein Foto von ihr auf dem Kaminsims auf. Es war bei einem Urlaub am Meer aufgenommen worden, als sie neunzehn gewesen war. Auf dem Bild stand sie im Wasser und umarmte Tris. Beide sahen glücklich aus. Max schaute weg. Sie war nicht mehr das Mädchen auf dem Bild, ebenso wenig wie Tris. Nichts war mehr so wie früher.
Sie ging hinaus und überließ sich ihrer inneren Prime. Ein Shadowblade interessierte sich nicht für menschliche Nöte, nur für den Krieg und fürs Töten.
»Was zum Teufel ist das?« Kyle wich vor ihr zurück.
»Das bin ich. Mein wahres Ich.«
»Aber das ist …«
Sie lächelte zähnebleckend und gefährlich. »Verdammt Furcht einflößend? Das soll ich auch sein. Zeig mir die Leshii.«
Er führte sie ums Haus herum und an den Scheunen vorbei. Der Rauch, der in seine Lungen biss, brachte ihn immer wieder zum Husten. Auf der Rückseite des Hauses war ein Gemüsegarten angelegt worden, dessen ehemals üppiges Grün nun schwarz und welk war. Am hinteren Ende befand sich ein Komposthaufen, der Max bis über den Kopf reichte und der von wilden Gartenpflanzen überwuchert war. Darum herum war das Gras hüfthoch, und daneben stand ein einzelner, knorriger Kirschbaum.
»Das ist der Vater. Pass auf, wo du hintrittst. Irgendwo hier im Gras sind die Mutter, die Kinder und ein paar Onkel und Tanten.« Kyle blieb am Rande des Gartens stehen, während Max sich dem Leshii-Baum näherte. Ihre Shadowblade-Sinne streiften durchs Gras, und sie hörte die gedämpften Laute von Insekten, die sich ins Erdreich gruben, um dem Rauch zu entkommen.
Sie konnte die Leshii im Gras spüren. In ihrer derzeitigen Gestalt hätte Max sie ebenso leicht ausreißen und töten können, wie sie eine Spinne zertreten konnte. Sie berührte einen, dann einen weiteren und schließlich alle fünf. Sanft strich sie über jeden einzelnen Halm.
»Wenn ich euch alle aufspüren kann, können die Obake das auch. Ihr seid hier nicht sicher. Früher oder später wird der Schutzkreis zusammenbrechen. Die Hüter werden diesen Ort nicht in Frieden lassen, nachdem sie einmal beschlossen haben, ihn zu erobern.«
Der Baum erzitterte, als wäre er von einem Axthieb getroffen worden. Seine Umrisse verwischten sich und zogen sich zusammen, bis der Leshii-Vater vor ihr stand. Er war nur einen Meter groß, hatte ein uraltes Gesicht und algengrüne Augen, die an einen Teich in der Sommersonne erinnerten. Seine Haut war blass wie Gras, das niemals das Tageslicht gesehen hat, und sein Haupt- und Barthaar hingen ihm wie Weidenzweige vom Kopf.
»Wohin wir
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