Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)
sich auf dem engen Treppenabsatz neben ihn. Oben sahen sie sich einer schweren, eisenbeschlagenen Holztür ohne Klinke gegenüber. Max sah, wie Alexanders Muskeln sich anspannten, als kämpfte er gegen ein schweres Gewicht an. Er legte die Hand an die Tür. Eine Minute verging. Schließlich ertönte ein leises Klicken, und die Tür schwang geräuschlos nach innen. Er entließ zitternd den Atem. Sein Herz pochte hörbar vor Anstrengung. Also waren seine telekinetischen Kräfte nicht besonders stark. Gut zu wissen.
Max wollte eigentlich als Erste hineingehen. Sie war es nicht gewohnt, von hinten anzuführen, aber sie wollte Alexander auch nicht im Rücken haben. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, und sie gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass er vorgehen sollte. Sein schiefes Lächeln verriet, dass er wusste, was in ihr vorging.
Sie betraten ein herrschaftliches Schlafzimmer von der Größe eines Basketballfelds. Es war mit einem Wirrwarr aus vielen Teppichen ausgelegt und roch schwer nach Ritualölen und Rauchwerk. Max rümpfte die Nase, als das Geruchsgemisch ihr in Mund und Kehle drang. Es war zugleich beißend und süß, reizte ihren rauhen Hals. Sie erkannte Weihrauch, Ambra und Aprikosenöl sowie Benzoeharz und Aloe Vera. Sie war sich nicht sicher, was Selange vorhatte, doch offenbar bereitete sie einen machtvollen Zauber vor. Ein leichter Rauchschleier vom Weihrauch und von den Engelsfeuern im Süden hing in der Luft. Deckenlichter gaben den Blick auf den schwarzen Himmel über ihnen frei. Trotzdem spürte Max, dass die Nacht ihr wie Sand durch die Finger rann. In zwei oder drei Stunden würde es dämmern.
Alexander schlich lautlos über die dicken Teppiche, hielt seine Waffe bereit und blickte von einer Seite zur anderen. Er spähte ins Nebenzimmer, bewegte sich an der Tür vorbei und steuerte auf einen in den Fels gehauenen Torbogen an der Westseite des Zimmers zu. Max folgte ihm.
Jenseits des Durchgangs befand sich eine Zauberwerkstatt. An den Wänden waren Regale und Schränke befestigt. Bündel von Kräutern hingen an Halterungen über der Werkbank, die drei Viertel des Raums säumte. In den Steinboden war ein Anneau- Ring eingelassen, und in der Mitte befand sich ein grob behauener Altar, der etwa drei Meter lang und einen Meter breit war. Darauf lag eine undurchsichtige weiße Dose, die bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Inschriften bedeckt war. Sie schimmerte, als wäre sie von einem Hitzeschleier umgeben. Um die Dose herum lag in einer Mulde von etwa zwanzig Zentimeter Durchmesser etwas, das aussah wie Krümel von schmutzigem Eis.
»Das habe ich befürchtet«, murmelte Alexander und ließ den Lauf seiner Waffe sinken.
»Was?«
»Die Dose stammt aus Babylon. Sie vernichtet jeden, der versucht, sie ohne die richtigen Beschwörungsformeln zu öffnen.«
Max starrte die Dose finster an. »Das Ding hat ein Schloss, und ich bin ein lebendiger Schlüssel. Kein Problem.« Falls ihr Schlüsselzauber funktionierte; falls er mächtig genug war. Neuer Schmerz kroch in ihr empor und umfing ihre Knochen. Ihre Bannzauber mochten es nicht, wenn sie ihr Leben aufs Spiel setzte. Sie waren der Meinung, dass Giselle sie lebend brauchte. Max schnappte nach Luft, als der Schmerz sich durch ihr Knochenmark schlängelte. In wenigen Minuten würde er sie in die Knie zwingen. Sie trat vor.
Alexanders Hand an ihrem Arm ließ sie innehalten. Sie schaute auf seine Finger und dann wieder auf, bevor sie sich seinem Griff entwand.
»Kannst du sie ohne Gefahr öffnen?«
»Das werde ich gleich herausfinden.«
Er kniff die Augen zusammen. Offensichtlich hielt er nicht viel von ihrer Einstellung. »Das könnte dich umbringen.«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Ich will mein Hagelkorn zurück.« Max wandte sich ab. Er sollte nicht wissen, wie sehr sie es wollte.
»Warum? Was schadet es, wenn Selange es behält?«
»Tja, wenn du meinst, dass dich das was angeht … Zuerst einmal gehört es mir, und sie kann mich nicht foltern und meine Sachen behalten. Und zweitens klingst du verdammt so wie jemand, der ihr immer noch dient.«
»Ist es dein Leben wert? Ich habe gesehen, wie diese Dose tötet, und es ist nicht schön.«
»Ja? Tja, kommt vor.« Der Schmerz wurde schlimmer. Wenn sie sich nicht in Bewegung setzte, wäre sie bald nicht mehr dazu in der Lage. »Behalt die Tür im Auge. Wir können keine Störungen gebrauchen.«
Einen Moment lang rührte er sich nicht vom Fleck, dann trat er fahrig
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