Shadowdwellers - Frank, J: Shadowdwellers
eigene Dummheit. Wie konnte er nur so einen Fehler machen? Doch wann sprach er denn schon mit Menschen? Er hatte nicht gerade Übung darin, sich mit seiner Sprache außerhalb der Schattenbewohnergesellschaft zurückzuhalten.
»Bitte«, sagte er in einem einlenkenden Tonfall. »Es kommt mir so vor, als hätten wir uns von Anfang an missverstanden, und ich will das nur wieder in Ordnung bringen, damit ich dir danken kann für das, was du getan hast.«
»Sie wollen mir danken?«, fragte sie, und ihr Misstrauen schien sich noch zu verstärken. »Keine Fragen? Keine Neugier? Wenn Sie mich nicht seltsam finden, stellt sich die Frage, was Sie dann gesehen haben, das Sie als seltsam bezeichnen würden.«
An dieser Stelle wurde Trace bewusst, dass die kleine blonde Ashla trotz ihrer schrecklichen Angst genauso scharfsinnig war, wie andere vielleicht mutig waren. Was ihr an Mut fehlte, glich sie durch ihre geistigen Fähigkeiten wieder aus. Er hatte sie in dieser Hinsicht unterschätzt und müsste nun entweder irgendeine Art von Schadensbegrenzung betreiben oder …
Lügen.
Trace war ziemlich gut darin, kreative Wahrheiten zu erzählen. Und er war noch besser darin, zu lügen wie gedruckt. Ihm blieb gar nichts anderes übrig. Keine einzige Führungsriege, die er auf dem Planeten kannte, konnte völlig offen und ehrlich regieren. Geheimnisse waren ein notwendiges Übel, vor allem, wenn dadurch entscheidende Informationen und wichtige Verhandlungen zwischen empfindlichen Kulturen geschützt wurden; vor allem, wenn die Wahrheit zu sagen den Feinden die Möglichkeit geben würde, den Dolch ins Herz der Monarchie zu stoßen.
Doch jetzt, wo er damit konfrontiert war, mit einer der entscheidenden Lügen, die sein Volk aufrechterhielt, die Lüge, die die Anonymität seines Volkes als Spezies schützte, um sie vor ihrer Spezies zu schützen, schien seine Zunge wie gelähmt zu sein. Er war wie gefangen in dem Anblick dieser hellblauen Augen, die ihn in Erstaunen versetzten und von deren Helligkeit er wie hypnotisiert war. Hinzu kam, dass er das Gefühl nicht loswurde, dass sie in ihrem Leben schon mit genug Lügnern und Betrügern zu tun gehabt hatte. Trace schüttelte den Kopf und versuchte sich zu sagen, dass er seinen persönlichen Eindrücken folgte ohne den Funken eines Beweises, doch das änderte nichts an dem überwältigenden Aufschrei seiner Instinkte. Wieso sollte er sich zwingen, sie zu ignorieren, wenn er doch sonst dank dieser Instinkte überlebte?
Ashla bemerkte, dass er zögerte, und ihr Gesicht verzog sich vor Bestürzung und Kummer. Sie war bereit, das Allerschlimmste von ihm zu denken, wie jeder andere wahrscheinlich auch. Er war nicht geübt darin, das Alter eines Menschen zu schätzen, doch er vermutete, dass sie in den Zwanzigern war. Wenn sie die Langlebigkeit eines Schattenbewohners vor sich hatte, hätte sie Zeit, diesen verbitterten Zustand zu überwinden, solange sie noch jung war. Sie würde lernen, wie großartig das Leben sein konnte und wie bedeutungslos manche Dinge dagegen waren.
»Falls Sie vorhaben zu lügen, sagen Sie lieber nichts«, sagte sie bedrückt und schüttelte den Kopf, während sie sich von ihm abwandte.
»Ich habe nicht vor zu lügen«, sagte er scharf, packte sie am Arm und zog sie wieder zu sich hin.
»Aber Sie haben daran gedacht«, warf sie ihm vor und stolperte ungeschickt in seine Arme. Sie machte einen seltsamen kleinen Hüpfer, bevor sie ihm mit diesen verblüffenden Augen verbot, es zu leugnen.
»Ja. Ich habe daran gedacht«, gestand er mit einem steifen Nicken. Es ärgerte ihn, ihr das einzugestehen, und das ungewohnte Schuldgefühl schlug ihm auf den Magen. Es verwirrte ihn völlig, dass ihm das so schwerfiel, doch ohne eine Lösung blieb ihm nichts anderes übrig, als so ehrlich wie möglich zu sein. »Hör mal, es gibt Dinge, über die ich einfach nicht sprechen kann … «
»Gehört dazu, dass du über Throne und Verräter gesprochen hast, obwohl auf dieser Welt nur noch ein paar Monarchien übrig sind? Eigentlich ist von allem nur noch wenig übrig«, fügte sie hinzu und zeigte auf die dunkle Welt um sie herum.
Da bemerkte Trace zum ersten Mal, dass ihre Handflächen hellrote und dunkelrote Striemen trugen. Trace fasste eine ihrer Hände in der Luft und zog sie mit einer ruckartigen Bewegung zu sich, die viel gröber war, als er beabsichtigt hatte.
Ashla stöhnte und machte ein quiekendes Protestgeräusch, als der dunkle Mann sie plötzlich so unsanft
Weitere Kostenlose Bücher