Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
abgestimmt. Stemmte ich mich gegen das Ergebnis, würde die Hölle losbrechen. Einer ginge den anderen an, und wer weiß, wie hässlich sich der Streit entwickeln würde.
Meine Eltern waren hier. Sollte ich die Runen entfernen und sie dadurch in Gefahr bringen? Oder sollte ich mich dagegen sträuben und sie deshalb einem Risiko aussetzen?
Keine Alternative war gut.
Ich streckte die Hand in das blau-schwarze Licht und zog die erste Rune vom Buchrücken ab. Sie pulsierte wie ein kleines ärgerliches Herz und hinterließ eine Wunde, die sich mit schwarzem Blut füllte, ehe sie sich schloss. »Was soll ich mit ihnen machen?« Ich hielt die Rune hoch.
»Velvet wird sie nach und nach wegbringen«, sagte V’lane.
Ich klaubte eine Rune nach der anderen von dem Buch, und sie verschwanden im Nichts.
Als nur noch eine übrig war, hielt ich inne und drückte beide Handflächen auf den Buchdeckel. Es fühlte sich träge an. Genügten die Runen in diesem Raum wirklich, um das Buch festzuhalten? Ich sollte es herausfinden.
Ich nahm die letzte von dem Buch. Sie löste sich widerwillig, zappelte wie ein hungriger Blutegel und versuchte sich an mir festzusaugen.
Velvet brachte sie weg.
Ich hielt die Luft an. Nach etwa zwanzig Sekunden hörte ich ein allgemeines Aufatmen. Ich glaube, wir alle hatten damit gerechnet, dass sich das Sinsar Dubh in die Bestie verwandelte und uns den Garaus machte.
»Und?«, fragte V’lane.
Ich aktivierte meine Sidhe -Seher-Sinne und versuchte, es zu fühlen.
»Ist es geglückt?«, wollte Barrons wissen.
Ich dehnte all meine Sinne, so weit ich konnte, und spürte die ganze Höhle. Jetzt wusste ich, welchen Zweck die silbernen Runen erfüllten.
Jede einzelne war sorgfältig in den Stein gemeißelt, so dass, wenn man Linien vom Boden zur Decke und von Wand zu Wand ziehen würde, ein kunstvolles, engmaschiges Gitter entstünde. Sobald das Buch auf der Platte und die Steine darum herum lagen, waren die Runen aktiviert. Jetzt überzogen sie den Raum mit einem gigantischen unsichtbaren Spinnennetz. Ich konnte die silbrigen Fäden, die an mir vorbeiführten und durch mich hindurchschnitten, beinahe spüren.
Selbst wenn es dem Buch gelänge, die Steinplatte zu verlassen, würde es sofort von dem klebrigen Gespinst festgehalten. Je mehr es sich wehrte, desto dichter würde das Netz, bis es einen Kokon bildete.
Es war vorbei. Dies war wirklich und wahrhaftig das Ende. Keine weiteren Überraschungen.
Es gab Zeiten, in denen ich dachte, es würde nie so weit kommen. Die Aufgabe erschien mir zu schwierig, und zu viele Unwägbarkeiten standen uns im Weg.
Aber wir hatten es geschafft.
Das Sinsar Dubh war bewegungsunfähig. Eingekerkert. Versiegelt. Neutralisiert. Unschädlich.
Solange niemand herkam und es wieder freisetzte.
Wir brauchten bessere Schlösser und Riegel an der Tür. Und ich würde dafür sorgen, dass diesmal niemand vom Haven die Schlüssel bekam. Mir war ohnehin schleierhaft, weshalb damals diese Höhle betreten werden konnte. Es gab keinen Grund, dass jemals wieder jemand hier hereinkam.
Erleichterung durchflutete mich. Es fiel mir schwer zu begreifen, dass ehrlich alles vorbei war.
Das Leben konnte von neuem beginnen. Es würde nie mehr so normal sein wie früher, aber es wäre erträglicher als seit langem. Jetzt, da die größte und akuteste Bedrohung beseitigt war, konnten wir all unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, unsere Welt zurückzuerobern und wieder aufzubauen. Ich würde mir ein paar Blumentöpfe und Erde besorgen und den Dachgarten auf dem Buchladen verschönern.
Wenn ich durch eine dunkle Straße ging, brauchte ich nie mehr Angst zu haben, dass mir das Sinsar Dubh auflauerte, mir den Schädel zerquetschte, mein Rückgrat in Flammen setzte oder mich mit Illusionen verführte. Nie wieder würde es von einem von uns Besitz ergreifen, nie wieder jemanden niedermetzeln und die Menschen, die ich liebte, bedrohen.
Ich musste mich nicht mehr ausziehen, wenn ich ins Chester’s ging! Hautenge Klamotten gehörten der Vergangenheit an.
Ich drehte mich um. Alle sahen mich erwartungsvoll an. Sie machten einen so gespannten, ängstlichen Eindruck, dass sie wahrscheinlich aus der Haut fahren würden, wenn ich Buh! riefe. Und ich hatte große Lust dazu.
Aber ich wollte nicht, dass irgendetwas den freudigen Moment verdarb. Ich zuckte lächelnd mit den Schultern. »Es ist vorbei. Es hat geklappt. Das Sinsar Dubh ist nur ein Buch, nichts weiter.«
Die Jubelschreie waren
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