Shakran
passiert?«, fragte sie leise. Sie merkte, dass ihre Stimme belegt klang. Am liebsten wäre sie jetzt wieder das kleine Mädchen, dem Chester Norman jede Frage beantwortete. Beantworte mir auch diese Frage, dachte Ann, wieso ausgerechnet dich auch? Muss dieser Mistkerl wirklich jeden töten, der mir etwas bedeutet ... Nasreen ... Ann riss sich zusammen, aber sie merkte, wie ihr alles zu entgleiten schien.
Wie aus der Ferne hörte sie Terrys Stimme. »Der Admiral hat es noch geschafft, viermal zu schießen. Ein Schuss ist hier in die Wand eingedrungen. Wir gehen davon aus, dass er seinen Mörder dreimal getroffen hat. Einer der Schüsse muss eine Arterie verletzt haben, denn das meiste Blut hier ist von unserem Killer. Bei einem solchen Blutverlust ist es ein Wunder, dass er überlebt hat. Der Admiral hat ihn schwer erwischt. Auf jeden Fall ist der Mörder in Panik geraten.« Terrys Blick streifte über die Wände des Badezimmers mit den vielen Einschusslöchern. »Aber er hat sich wohl wieder beruhigt. Er hat die Waffe des Admirals mitgenommen, vielleicht als Trophäe. Er hat sich seine Wunden verbunden und ist noch einmal ins Schlafzimmer gegangen und von dort aus hinunter in den Keller. Von dort hat er die Videobänder des Überwachungssystems mitgenommen.«
Sie gingen wieder hinunter in den Hausflur.
»Er hat das Haus durch die Küchentür verlassen, nur wenige Minuten, vielleicht sogar nur Sekunden, bevor unsere Beamten hier waren.« Sie führte Ann in das Arbeitszimmer des Admirals und schob die Tür hinter sich zu. »Den Tresor haben wir nicht gefunden«, sagte sie dann. »Aber das hier ...« Sie fuhr mit den Händen unter der Platte des antiken Schreibtischs entlang. Auf der Rückseite sprang ein Geheimfach auf.
Terry holte ein dickes Fotoalbum heraus und schlug es auf. Auf der letzten Seite war ein nagelneues Bild eingeklebt worden. Darunter stand in Normans Schrift Juliet/Ann und das heutige Datum. Terry schlug langsam die vorletzte Seite auf. Ein Bild von Ann Mankowitz. Mit dem Datum von vor drei Tagen. Das nächste Bild zeigte Juliet, wie sie mit Nasreen spielte. Das Datum lag acht Jahre zurück.
Terry schloss das Album wieder und schob es zurück in das Geheimfach. Dann musterte sie die vielen Fotos, die an den Wänden hingen. Norman mit Stanton, Norman mit vielen einflussreichen Politikern. Norman mit Nasreen, immer wieder mit Nasreen. Oder Nasreen allein. Oder mit Juliet.
In einem Schaukasten waren die Medaillen des Admirals zu sehen. In einem anderen die von Juliet.
»Congressional Medal of Honor«, sagte Terry. Sie drehte sich zu Ann um. »Er war ein tapferer Mann, nicht wahr, Miss Mankowitz ?«
»Tapferer, als Sie es sich vorstellen können«, flüsterte Ann. Sie ließ sich in einen der Sessel sinken, stützte ihre Ellbogen auf die Oberschenkel und barg ihr Gesicht in den Händen.
»Hier.« Terry öffnete ihre Handtasche, nahm ein Taschentuch heraus und gab es Ann. »Wissen Sie, dass Sie weinen, seit Sie das Bad gesehen haben?«
»Oh. Das habe ich gar nicht bemerkt.« Ann wischte sich langsam die Tränen ab.
Terrys Funkgerät knisterte. »Goldkind? ... Ja? ... Das ist fantastisch. Ist ihr irgendwas passiert? ... Nein? ... Gut, dann bringen Sie sie sofort zu mir ... Okay, sie kann sich Sachen aus ihrem Zimmer anziehen. Da war der Täter nicht ... Dann bringen Sie sie zum Arbeitszimmer. Danke.«
Ann sah zu ihr hoch.
Terry lächelte. »Wir haben Nasreen gefunden. Es geht ihr gut.« Sie lächelte noch breiter. »Sie hat sich versteckt, weil sie bei der Flucht das Hemd, dass sie im Bett anhatte, verloren hat und sie nur noch mit ihrem Slip bekleidet war. Es war ihr einfach peinlich. Aber dann hat sie sich doch getraut.«
»Gott sei Dank!« Vor Erleichterung wurde Ann fast übel.
»Ich habe Sie eben mit Mankowitz angesprochen, und Sie haben reagiert«, sagte Terry und beobachtete Ann genau.
»Habe ich das?«
Terry nickte.
»Das war unfair.«
Terry nickte wieder. »Das war es wohl. Ich hatte gerade die Fotos an der Wand angesehen, als Sie kamen. Es gibt sogar ein Bild Ihrer Eltern, aufgenommen an deren Hochzeitstag. Dieses hier ...« Sie tippte mit dem Fingernagel auf eins der Bilder. »Der junge Mann neben Ihrem Vater ist Norman, nicht wahr?«
Ann stand langsam auf und ging zu dem Bild hinüber. Früher hatte es hier nicht gehangen. Viele der Bilder kannte sie gar nicht. Norman hatte sie wohl erst aufgehängt, als er dachte, sie wäre gestorben. »Und jetzt? Wie geht es jetzt
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