Shakran
und gemütlich. Nasreen setzte sich an den Tisch und beobachtete Mark, Samson und Ann. Besonders Ann, die gerade den alten Colt auf den Küchentisch legte und dann kurz ins Leere starrte, bevor sie sich aufraffte und an der Kaffeemaschine zu schaffen machte.
»Mein Beileid, Ann, Nasreen«, sagte Mark leise. Er zögerte, dann legte er seine Hand auf Anns Schulter. Er war überrascht, wie zerbrechlich und zierlich sie sich anfühlte. »Ich habe ihn leider nur kurz gekannt. Er war ein beeindruckender Mann.«
Ann drehte sich zu ihm um, und ohne dass er wusste, wie es passierte, hatte er seine Arme um sie gelegt. Sachte fuhr er mit einem Finger über ihre Wange. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
Nasreen sah zu Samson. »Sind die beiden zusammen?«, fragte sie flüsternd.
Samson schüttelte den Kopf und grinste. »Nicht dass sie es wüssten.«
»So ist das also ...« Nasreen lächelte.
Samson war beeindruckt von Nasreen. Sie war ruhig, aufmerksam, und auch wenn ihre Augen gerötet waren, wirkte sie sehr gefasst. Vielleicht sogar mehr als Ann. Nasreen spielte mit einer Kette um ihren Hals, an der zwei goldene Ringe und eine Erkennungsmarke hingen. Samson kannte die Kette sehr gut.
»Das mit deinem Großvater tut mir leid«, sagte er leise.
»Er hatte keine andere Wahl. Er musste es versuchen ...« Sie senkte den Kopf. »Er hat sich wohl eine Chance ausgerechnet, Shakran zu erwischen ...« Sie wischte sich übers Gesicht und sah zu Samson. »Hatte er ...? Ich meine, was hat man in den Nachrichten gesagt? Haben sie Shakran erwischt?«
Samson schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Aber dein Großvater hat ihn wohl schwer verletzt.«
Sie schüttelte den Kopf und sah zu Mark und Ann hinüber, die regungslos neben der blubbernden Kaffeemaschine standen. Dann blickte sie wieder zu Samson zurück, ihre Augen, genau wie die von Ann, musterten ihn.
»Deine Mutter hat mich manchmal auch so angesehen. Meistens dann, wenn sie darüber nachgedacht hat, was sie machen soll mit mir«, sagte Samson leise.
»Ich überlege, wann ich Sie das letzte Mal gesehen habe«, antwortete Nasreen.
Samson war überrascht. »Du hast mich schon mal gesehen? Abgesehen von meinen Fernsehauftritten in der letzten Zeit, meine ich.«
»Es ist vielleicht neun Jahre her. Ich weiß nicht genau. Wir hatten gerade Pause in der Schule. Sie hatten beide Uniform an, glaube ich ... War das Jackie? Die Frau, mit der Sie da waren? Damals hatte ich das Gefühl, als hätte sie mich besonders genau angesehen.« Sie lächelte unsicher.
Samson versuchte sich zu erinnern. Während des Trainings zu jener verfluchten Mission hatte das Team genau zweimal Freigang gehabt, einmal war er mit Juliet nach Washington gefahren. Er erinnerte sich, dass sie einen Umweg gefahren war und an einer Schule angehalten hatte.
Er nickte langsam. »Ja, sie war es. Du hast ein gutes Gedächtnis.«
Nasreen nickte. »Wie Jackie.« Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. »Das war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Bis heute ...« Sie senkte den Blick vor sich auf die Tischplatte, ihre Schultern fingen an zu zucken.
Ann löste sich von Mark, setzte sich neben Nasreen und nahm sie in den Arm.
Mark beobachtete die beiden, dann sah er zu Samson hinüber.
»Warum fällt der Bastard nicht einfach tot um?«
72
W ahrscheinlich wären einige Leute glücklicher, wenn ich jetzt einfach tot umfallen würde, dachte Shakran. Allzu weit war er nicht mehr davon entfernt. Dieser Gedanke erheiterte ihn irgendwie. Sein rechtes Bein war taub, er spürte noch nicht einmal den Gürtel, den er benutzt hatte, um es abzubinden. Viel Zeit hatte er nicht mehr, sonst würde er das Bein verlieren. Dann hatte ein Krüppel ihn zum Krüppel gemacht. Er lachte. Dann schüttelte er den Kopf und versuchte, sich zu konzentrieren. Vor ihm, in der Querstraße, fuhr ein Polizeiwagen vorbei, die Sirene war ausgeschaltet, aber das Licht eines Scheinwerfers streifte über die Häuser und Bäume in der Nachbarschaft. Das Haus des Admirals war von hier aus nicht zu sehen, aber sehr wohl die Lichter der Einsatzwagen, welche die umliegenden Häuser anstrahlten. Der Wagen stand vielleicht achtzig Meter von dem Haus des Admirals entfernt. Zwei Polizisten suchten die Nachbarschaft ab, leuchteten mit ihren Taschenlampen Hinterhöfe und Bäume aus. Ein Wagen fuhr direkt an ihm vorbei, ein Fahrzeug der Hundestaffel der Polizei. Ein Deutscher Schäferhund sah ihn mit hechelnder Zunge an. Spätestens dann, wenn
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