Shane Schofield 02 - Die Offensive
hörten nicht, was er immer wieder leise vor sich hin murmelte. »Ihr habt meinen Freund getötet. Ihr habt meinen Freund getötet. Ihr habt meinen Freund getötet …«
Einer der Soldaten hob routiniert sein P-90 und feuerte eine kurze Salve ab. Die Kugeln zerfetzten Elvis’ Brust, und während er zusammenbrach, rückten die Soldaten weiter vor.
Erst als sie Elvis erreicht hatten, vernahmen sie sein kaum verständliches Gurgeln: »Ihr habt meinen Freund getötet …«
Und dann öffnete sich seine linke Hand wie eine Blume –
– und die Soldaten erblickten die hochexplosive RDX-Granate.
»Ihr habt meinen Freund …«
Elvis tat seinen letzten Atemzug.
Seine Hand entspannte sich. Sie gab den Auslöser der Granate frei – und zum Entsetzen der Männer der Einheit Bravo explodierte die RDX-Granate mit unbeschreiblicher Wucht.
Das X-Railcar schoss durch den Tunnel.
Schlank und stromlinienförmig raste es mit seiner patronenförmigen Nase und dem flachen Rumpf dahin. Es schaffte zweihundert Meilen in der Stunde, und das trotz der geborstenen Fenster und der von Kugeln durchsiebten Wände.
Es glitt erstaunlich sanft und leise dahin. Das lag daran, dass es nicht von einem Motor, sondern von einem hochmodernen magnetischen Antriebssystem bewegt wurde, das die allmählich veraltenden dampfbetriebenen Katapulte der Flugzeugträger ersetzen sollte. Der magnetische Antrieb ermöglichte phänomenale Geschwindigkeiten und bestand aus wenigen Einzelteilen. Deshalb war er bei Technikern sehr beliebt, denn bei ihnen galt gemeinhin die Regel: Je weniger Teile eine Maschine besitzt, desto weniger kann auch kaputtgehen.
Book II. saß im Cockpit, die Hände auf der Steuerung. Herbie kauerte neben ihm. Nur im Cockpit waren die Fenster noch unversehrt.
»Mist!«, ertönte Schofields Stimme hinter ihnen. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«
Schofield betrat das Cockpit.
»Stimmt was nicht?«, fragte Book.
»Das stimmt nicht«, sagte Schofield und zeigte auf den silberfarbenen Samsonite -Aktenkoffer , der an seinem Gürtel baumelte. Der Football.
»Verdammt noch mal! Das ging alles zu schnell. Als der Präsident aus dem Zug gehechtet ist, hab ich einfach nicht dran gedacht. Wie spät ist es?«
Es war 8.55 Uhr.
»Na großartig!«, seufzte er. »Dann haben wir noch über eine Stunde Zeit, um den Aktenkoffer zum Präsidenten zurückzuschaffen.«
»Sollen wir umkehren?«, fragte Book II.
Schofield zögerte. Tausend Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf.
Dann sagte er entschlossen: »Nein! Ich lasse den Jungen nicht im Stich. Wir kommen schon rechtzeitig zurück. «
»Äh, aber was ist mit dem Land?«, beharrte Book II.
Schofield lächelte schief. »Bislang habe ich noch keinen Countdown vermasselt, und ich habe auch nicht vor, es zukünftig zu tun.« Er wandte sich an Herbie. »Also dann, Herbie! In fünfundzwanzig Worten oder weniger: Erzählen Sie mir vom X-Rail-System! Wohin führt es?«
»Das ist zwar nicht unbedingt mein Fachgebiet«, entgegnete Herbie, »aber ich bin schon ein paarmal damit gefahren. Soviel ich weiß, handelt es sich eigentlich um zwei Beförderungssysteme. Das eine führt von Area 7 in westlicher Richtung zum Lake Powell. Das andere in östlicher Richtung zu Area 8.«
Wie Herbie weiterhin erläuterte, fuhren sie über den vierzig Meilen langen Schienenstrang zum Lake Powell.
Schofield hatte bereits von diesem Gewässer gehört. Eigentlich handelte es sich weniger um einen See als vielmehr um ein hundertneunzig Meilen langes Labyrinth überfluteter Can˜ons.
Unmittelbar an der Grenze von Utah und Arizona gelegen hatte der Lake Powell früher einmal dem Grand Canyon geähnelt. Es war ein gewaltiges System von Schluchten und Can˜ons, die der mächtige Colorado River in die Erde gegraben hatte.
Anders als der Grand Canyon wurde der Lake Powell jedoch seit 1963 zur Stromerzeugung genutzt. Man hatte den Fluss gestaut, und der See war entstanden. Die auch zuvor schon atemberaubenden Felsformationen hatten sich in einen spektakulären Can˜on verwandelt, der zur Hälfte mit Wasser gefüllt war.
Jetzt ragten gewaltige sandfarbene Tafelberge aus dem funkelnden blauen Wasser des Sees heraus, und die spitzen Kuppen erhoben sich vor dem blauen Horizont. Und dann gab es noch jene Schluchten und Can˜ons, die nun zu schmalen Kanälen geworden waren.
Wie jedes Großprojekt hatte auch das Aufstauen des Colorado Rivers im Jahr 1963 einen Proteststurm hervorgerufen.
Weitere Kostenlose Bücher