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Shannara I

Titel: Shannara I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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zusammengerollten Gestalten der schlafenden Gnomen. Es war still im Halbdunkel, so still, daß Shea seine eigenen Atemzüge deutlich hören konnte. Abseits stand die einsame Figur des Wächters, ein verschwommener Schatten am Rand der Lichtung vor dichtem Unterholz. Shea ließ seinen Blick noch einmal in die Runde gehen, stützte sich auf einen Ellenbogen und wischte sich den Schlaf aus den Augen. Er versuchte, an den Lederschnüren zu zerren, die ihn fesselten, mußte den Gedanken an eine Flucht aber bald aufgeben. Er besaß nicht die Kraft, die Fesseln zu zerreißen, und aufschnüren konnte er sie nicht. Er starrte hilflos auf den Boden, überzeugt davon, daß dies das Ende für ihn bedeutete, daß er in Paranor den Schädelträgern ausgeliefert und schnell getötet werden würde.
    Dann hörte er etwas. Es war nur ein leises Rascheln, irgendwo in der Dunkelheit außerhalb der Lichtung, aber er hob aufmerksam den Kopf und lauschte. Seine Elfenaugen huschten über das Lager und die Gnomen, aber alles erschien unverändert. Er brauchte einige Sekunden, um den Wächter am Rand der Lichtung auszumachen; dieser hatte sich nicht von seinem Platz entfernt. Plötzlich löste sich ein großer Schatten aus dem Dickicht, der Wächter wurde von ihm eingehüllt und verschwand. Shea blinzelte ungläubig, aber es gab keinen Zweifel. Dort, wo der Gnom gestanden hatte, war nichts mehr. Lange Augenblicke vergingen, während Shea auf weitere Ereignisse wartete. Die Sonne begann aufzugehen, die letzten Reste der Dunkelheit lösten sich auf, und über den Höhen der fernen östlichen Berge lugte die Sonnenscheibe hervor.
    Auf der anderen Seite ertönte ein leises Geräusch, und Shea warf sich herum. Hinter einem kleinen Hain bot sich ihm einer der seltsamsten Anblicke, die der junge Mann jemals erlebt hatte.
    Es war ein Mann, von Kopf bis Fuß scharlachrot gekleidet, dergleichen in Shady Vale noch keiner gesehen. Zuerst dachte Shea, es sei Menion, aber es zeigte sich schnell, daß der Fremde keine Ähnlichkeit mit ihm hatte. Größe, Haltung, Bewegungen, alles war anders als bei Menion. Seine Züge waren im diffusen Licht schwer zu erkennen. In der einen Hand trug er ein Jagdmesser, in der anderen einen seltsamen spitzen Gegenstand. Die scharlachrote Gestalt huschte lautlos auf ihn zu und trat hinter ihn, bevor er das Gesicht genau sehen konnte. Das Jagdmesser zertrennte die Fesseln, dann schob sich eine Hand vor Sheas Gesicht, der entsetzt die Augen aufriß, als er sah, daß die linke Hand des Mannes fehlte; an ihrer Stelle ragte ein gefährlich aussehender Eisenspieß aus dem Arm.
    »Kein Wort«, tönte eine scharfe Stimme an seinem Ohr. »Nicht umsehen, nicht nachdenken. Lauf nur nach links zu den Bäumen und warte dort auf mich. Los!«
    Shea stellte keine Fragen, sondern gehorchte auf der Stelle. Auch wenn er das Gesicht des Fremden nicht sah, die rauhe Stimme und der Eisenhaken ließen es ratsam erscheinen, nicht lange zu zögern. Er huschte lautlos davon und lief geduckt zu den Bäumen, hinter denen er Deckung fand. Er drehte sich um und sah zu seinem Erstaunen, daß die scharlachrote Gestalt von einem schlafenden Gnomen zum anderen huschte, offenbar auf der Suche nach irgend etwas. Die Sonne war im Osten nun ganz aufgegangen, und das Licht rahmte den Fremden ein, als er sich über den Gnomenanführer beugte. Eine behandschuhte Hand griff vorsichtig in den Rock des Gnomen und zog den Lederbeutel mit den kostbaren Elfensteinen heraus. In diesem Augenblick erwachte der Gnom und wollte mit der einen Hand den Fremden festhalten, während die andere das Kurzschwert schwang. Sheas Retter war jedoch zu schnell, um sich überraschen zu lassen. Der lange Eisenhaken wehrte den Hieb ab und zuckte dann über die Kehle des Gnomen. Als der Fremde aufstand und von dem leblosen Körper davonstürmte, wurde das ganze Lager wach. Die Gnomen sprangen auf, rissen ihre Schwerter heraus und hetzten dem Eindringling nach, bevor er ganz entkommen konnte. Der Scharlachrote mußte sich stellen und kämpfen, das kurze Messer in der einen Hand, einem Dutzend Angreifern gegenüber.
    Shea war überzeugt davon, daß der Fremde ausgespielt hatte, und spannte die Muskeln an, um ihm beizuspringen. Der Mann wehrte jedoch den ersten Ansturm der Gnomen ab, als wären sie Mäuse, und streckte zwei von ihnen nieder. Dann stieß er einen lauten Schrei aus, als die zweite Angriffswelle heranbrandete, und aus den Schatten auf der anderen Seite des Lagers stürmte eine

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