Shannara III
und seelische Kraft zurück, welche Regen und Dunkelheit fast ausgelöscht hätten, und sie kämpfte tapfer gegen die Erschöpfung an, die sie durchflutete. Sobald sie rittlings auf ihrem Pferd saß, wandte sie sich dankbar der Wärme des noch diesigen Sonnenscheins zu und beobachtete, wie er sich immer weiter im Osten ausbreitete.
Doch sie mußte feststellen, daß die Erschöpfung sich nicht so leicht abstreifen ließ. Obgleich sich der Tag im Laufe ihrer Reise weiter aufhellte, hielt die Müdigkeit tief in ihrem Innern an und bedrängte sie mit Zweifeln und Ängsten, die nicht verfliegen wollten. Gesichtslose Dämonen tanzten in ihren Schatten - schössen aus ihrer Phantasie in den Wald, an dem sie entlangritten, und verlachten und foppten sie. Blicke verfolgten sie. Wie schon in den Drachenzähnen herrschte auch hier das Gefühl, beobachtet zu werden, manchmal von weit her, aus Augen, für welche Entfernungen keine Rolle spielten, manchmal von solchen, die ganz nahe schienen. Und wieder war diese heimtückische Vorahnung. Sie hatte sie das erste Mal in den Felsen und Schatten der Drachenzähne befallen, sie verfolgt, rückhaltlos verhöhnt und gewarnt, daß sie und jene, die mit ihr reisten, ein Spiel mit dem Tod spielten, das sie nicht gewinnen könnten. Sie hatte nach Paranor geglaubt, davon befreit zu sein, weil sie lebend und unversehrt aus der Druidenfestung entkommen waren. Doch nun meldete es sich wieder, auferstanden aus dem Grau und Naß der beiden vergangenen Tage, ein vertrautes und quälendes Gespenst aus ihrem eigenen Innern. Es war böse, und obgleich sie es entschieden und leidenschaftlich aus ihren Gedanken verbannen wollte, kehrte es stets wieder.
Die Stunden verstrichen sinnlos im Lauf der Reise dieses dritten Morgens, und mit ihnen verflog allmählich Brin Ohmsfords Entschlossenheit. Dieses Entfliehen manifestierte sich zuerst als unerklärliches Gefühl von Verlassenheit. Unter dem Druck dieser Vorahnung - einer Vorahnung, welche ihre Begleiter nicht einmal wahrnahmen - begann das Talmädchen, sich in sich selbst zurückzuziehen. Das geschah anfänglich zum Selbstschutz, als Rückzug vor dem Ding, das sie mit seinen boshaften Warnungen und beharrlichen Foppereien zugrunde richten wollte. Mauern richteten sich auf, Fenster und Türen wurden zugeschlagen, und sie glaubte im Schutz ihres Denkens das Wesen aussperren zu können.
Doch damit sperrte sie gleichzeitig Allanon und Rone aus, und irgendwie fand sie keine Möglichkeit, sie nachträglich wieder hereinzuholen. Sie war alleine, Gefangene ihrer Psyche, und lag in Ketten, die sie selbst geschmiedet hatte. Eine subtile Veränderung ging allmählich in ihr vor. Langsam und unwiderruflich glaubte sie nur noch sich selbst. Allanon war ihr niemals sehr nahe gekommen, war selbst unter den günstigsten Bedingungen eine distanzierte, abweisende Person geblieben, ein Fremder, für den sie Mitleid und eine eigentümliche Art von Seelenverwandtschaft empfinden konnte - nichtsdestoweniger ein Fremder: unzugänglich und bedrohlich. Bei Rone Leah hatte es sich freilich anders verhalten; aber der Hochländer hatte sich verändert. Er hatte sich von ihrem Freund und Begleiter zu einem Beschützer gewandelt, der ebenso übermächtig und unnahbar wirkte wie der Druide. Das Schwert von Leah hatte diese Veränderung bewirkt und Rone Leah eine Macht verliehen, die ihn in seiner Vorstellung allem gewachsen machte, was sich ihm entgegenstellte. Die Magie aus den dunklen Wassern des Hadeshorn und der schwarzen Zauberei von Allanon hatte ihn korrumpiert. Das Gefühl der Vertrautheit, das sie verbunden hatte, war dahin. Nun war Rone nur noch dem Druiden verbunden, nur ihm galt seine Seelenverwandtschaft.
Doch das Verschwinden von Brins Entschiedenheit überstieg bald jenes Gefühl von Einsamkeit. Es entwickelte sich zu dem Eindruck, ihr Auftrag hätte seinen Sinn verloren. Er war nicht ganz dahin, das wußte sie, doch er hatte sich verflüchtigt. Einst war ihr ihr Ziel deutlich und sicher vor Augen gestanden: Sie mußte ins Ostland reisen, durch den Anar und das Rabenhorn bis an den Rand jener Grube, die sie Maelmord nannten, und geradewegs in den aufgerissenen Rachen jenes Abgrundes steigen, um das Buch der schwarzen Magie, den Ildatch zu vernichten. Das war ihre Aufgabe gewesen. Doch im Lauf der Zeit, in Finsternis und Kälte und mit den Strapazen ihrer Reisen schien ihr die Dringlichkeit dieses Ziels immer mehr entglitten zu sein, bis es jetzt fern und wenig
Weitere Kostenlose Bücher