Shannara III
dahin wie ein körperloser Schatten und zielte auf den klaffenden Rachen des Ungeheuers. Die Tentakel peitschten herab, schlugen nach ihm, verfehlten ihn, glitten an ihm vorüber und waren viel zu langsam für jemanden so unglaublich Schnelles. Aber ein Ausrutscher, ein Fehltritt…
Der Waffenmeister sprang nach dem gekrümmten Schnabel, direkt auf die Kiefer der Bestie zu. Er stieß mit verblüffender Geschwindigkeit zu, und der kurze Speer bohrte sich tief ins weiche Gewebe des geöffneten Mauls. Sofort fielen die Tentakel herab, und ein Ruck durchfuhr den riesenhaften Körper. Doch Garet Jax war schon wieder in Bewegung, wirbelte zur Seite und tauchte unter der Falle hinweg, die über ihm zuschnappen wollte. Sowie der Waffenmeister sich wieder hochgerappelt hatte, riß er auch schon eine Lanze mit Eisenspitze an sich, deren Besitzer noch mit lebloser Hand den Schaft umklammert hielt. Mit einer raschen Drehung entwand Garet Jax die Waffe seinem Griff. Zu spät erblickte der Krake seinen neuerlichen, gefährlichen Angreifer kaum zwei Meter von einem seiner lidverdeckten Augen entfernt. Die Lanze mit der Eisenspitze schoß nach oben in das ungeschützte Auge, durchbohrte Haut und blutiges Fleisch und stieß schließlich durch Knochen bis ins Gehirn.
Der getroffene Krake zuckte sichtbar unter Schmerzen zurück, und seine Flossenbeine flatterten wie rasend. Steinbrüstungen brachen rund um das Tier, als es versuchte, wieder in die Wasser des Cillidellan einzutauchen. Doch Garet Jax hing immer noch an der Lanze, die sich ins Gehirn des Ungeheuers gebohrt hatte, und stieß sie tiefer und tiefer und wartete darauf, daß die Lebenskraft des Tieres sich endlich erschöpfte. Doch der Krake war unglaublich stark. Er hievte sich in die Höhe, hob sich vom Staudamm, fiel dann laut klatschend in den Cillidellan und tauchte außer Sicht. Garet Jax, dessen Hände immer noch den Lanzenschaft umfaßten, wurde mit in die Tiefe gerissen.
Jair taumelte fassungslos und ungläubig gegen die zerschmetterte Balustrade zurück, sein wütender Aufschrei erstarb lautlos in seiner Kehle. Drunten lag der Staudamm wieder frei, und die eingekesselten Zwerge strömten aus ihrer Falle, um sich zur sicheren Südfeste hinüberzuretten. Dann taumelte Spinkser neben ihm wieder in die Höhe. Das furchige, gelbe Gesicht war mit Blut verschmiert, doch der Gnom wischte es wortlos weg und zerrte den Talbewohner hinter sich her die Treppe hinab. Wankend und stolpernd gelangten sie schließlich auf den Innenhof und setzten sich in die gleiche Richtung wie die fliehenden Zwerge in Bewegung.
Doch sie kamen zu spät. Auf beiden Seiten der Wehrgänge hinter ihnen waren Gnomenjäger aufgetaucht. Als heulende, schreiende Menge gepanzerter, blutbesudelter Figuren ergossen sie sich über den Kamm der Staumauer und strömten in den Hof hinunter. Spinkser warf schnell einen Blick zurück und riß Jair unvermittelt in einen der dunklen Schächte. Sie rasten mehrere lampenerleuchtete Treppenabsätze hinab, tief ins Dunkel der unteren Stockwerke, die zu den Getrieben der Schleusen führten, über ihnen verhallte langsam der Lärm der Verfolgungsjagd.
Als sie am Fuße der Treppe angelangt waren, standen sie in einem schummrig erleuchteten Gang, der über die ganze Länge des Dammes führte und sich in der Ferne verlor. Spinkser zögerte, wandte sich dann nach Norden und zog Jair hinter sich her.
»Spinkser!« schrie der Talbewohner auf und versuchte verzweifelt, den Gnom aufzuhalten. »Hier geht es zurück in die Richtung, aus der wir kommen - weg von den Zwergen!«
»Die Gnomen werden auch in die andere Richtung laufen!« keifte Spinkser. »In dieser Richtung werden sie doch nicht nach Zwergen oder sonst jemanden suchen, oder? Nun lauf!«
Sie rannten ins Dunkel und stolperten erschöpft den verlassenen Gang hinab. Das Schlachtengetöse war nun weit entfernt, im Gegensatz zum ständigen Ächzen der Maschinen und dem leisen Rauschen der Wasser vom Cillidellan. In Jairs Kopf drehte sich alles vom Schock dessen, was ihnen widerfahren war. Die kleine Gruppe aus Culhaven bestand nicht mehr: Helt und Foraker von schwarzen Wandlern niedergestreckt, Garet Jax vom Kraken in die Tiefe gerissen und Edain Elessedil verschollen. Nur Spinkser und er waren übriggeblieben - und sie liefen um ihr Leben. Capaal war gestürmt, den Gnomen anheimgefallen. Die Schleusen und Dämme, die den Strom des Silberflusses westwärts in die Heimat der Zwerge regulierten, waren in den Händen
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