Shannara III
Cogline löste sich aus Kimber Bohs Armen, brummte und schüttelte den Kopf, daß sein wuscheliges Haar im Mondschein wie ein feines Seidengespinst glänzte.
»Wo ist denn der verdammte Kater schon wieder! Wisper, komm her, du nichtsnutziges Tier! Ich habe keine Lust, hier herumzusitzen…«
»Großvater«, unterbrach das Mädchen ihn entschieden. Der alte Mann schwieg und starrte sie erschreckt an. Sie nickte zu Brin und Rone. »Unsere Freunde, Großvater - willst du sie denn nun nicht endlich fragen?«
Die Falten im Gesicht des Greises gruben sich tiefer, als er die Stirn krauszog. »Na gut«, murmelte er gereizt. »Was führt euch hierher?«
»Wir brauchen jemanden, der uns den Weg durch dieses Land weist«, entgegnete Brin sofort und wagte kaum zu hoffen, daß sie endlich die Hilfe finden würden, die sie so dringend brauchten. »Man sagte uns, Cogline wäre der einzige Mensch, der den Weg möglicherweise kennt.«
»Abgesehen davon, daß es Cogline nicht mehr gibt!« keifte der Alte, doch ein tadelnder Blick des Mädchens brachte ihn zur Ruhe. »Also, durch welches Land wollt ihr denn ziehen?«
»Durch den Zentral-Anar«, antwortete Brin. »Dunkelstreif, das Moor dahinter und den ganzen Weg ostwärts zum Rabenhorn.« Sie machte eine Pause. »In den Maelmord.«
»Aber dort hausen die Wandler!« rief Kimber Boh aus.
»Welchen Grund solltet ihr haben, in dieses finstere Loch zu ziehen?« hakte der alte Mann hitzig nach.
Brin zögerte, als sie sah, worauf die Sache hinauslief. »Die Vernichtung der schwarzen Wandler.«
»Die Vernichtung der Wandler!« Cogline war wie vom Donner gerührt. »Womit willst du sie denn vernichten, Mädchen?«
»Mit dem Wünschlied. Mit der Zauberkraft, die…«
»Was für ein Wünschlied? Mit diesem Gesang? Ist das deine Absicht?« Cogline war aufgesprungen, hüpfte wild umher und ruderte mit den knochendürren Armen. »Und ihr haltet mich für verrückt? Weg hier! Fort aus meinem Haus! Raus! Raus!«
Kimber Boh stand auf und zog den alten Mann sanft auf die Bank zurück, redete ihm zu und besänftigte ihn, als er weitertobte. Es brauchte ein paar Minuten, ihn wieder zu beruhigen. Nachdem sie ihn wieder in seinen Umhang gehüllt hatte, wandte sie sich an Brin und Rone.
»Brin Ohmsford«, sprach sie das Talmädchen mit ernstem Gesicht feierlich an. »Der Maelmord ist nicht der rechte Ort für dich. Nicht einmal ich gehe dorthin.«
Brin mußte fast lächeln, wie sehr die andere ihre Ablehnung betonte. »Aber mir bleibt in dieser Sache keine Wahl, Kimber Boh«, erklärte sie freundlich. »Ich muß gehen.«
»Und ich muß sie begleiten«, fügte Rone widerwillig hinzu. »Das heißt, wenn ich das Schwert wiedergefunden habe. Zuerst muß ich das Schwert finden.«
Kimber sah sie einen nach dem anderen an und schüttelte verwirrt den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Was für ein Schwert? Warum müßt ihr in den Maelmord? Warum müßt ihr die Wandler vernichten?«
Wieder zögerte Brin, diesmal aus Vorsicht. Wieviel von der Mission, die sie in dieses Land geführt hatte, sollte sie offenbaren? Wieviel von der Wahrheit, die ihr anvertraut war, sollte sie preisgeben? Doch als sie in Kimbers Augen blickte, spielte die Vorsicht, die ihr gebot, sorgsam über alles zu wachen, was sie so gewissenhaft verborgen hielt, keine Rolle mehr. Allanon war tot, für immer aus den Vier Ländern verschwunden. Der Zauber, den er Rone zu ihrem Schutz geschenkt hatte, war verloren. Sie war alleine, erschöpft und ängstlich trotz aller Entschlossenheit, die sie auf dieser unmöglichen Reise weitertrieb; wenn sie überleben wollte, was sie erwartete, mußte sie, so war ihr klar, alle Hilfe annehmen, die sie bekommen konnte, ganz gleichgültig, wo sie sie bekam. Geheimgehaltene Wahrheiten und kluge Täuschungsmanöver waren Allanons Lebensstil, waren ein Teil seiner Persönlichkeit gewesen. Für sie konnte das keine Gültigkeit haben.
Also berichtete sie dem Mädchen und dem alten Mann alles, was man ihr erzählt hatte und was ihr widerfahren war, seit Allanon vor so vielen Tagen im Dorf von Shady Vale aufgetaucht war. Sie hielt nichts von der Wahrheit zurück bis auf jene Dinge, die sie auch vor Rone geheimhielt, jene furchteinflößenden Ahnungen und unerfreulichen Einflüsterungen der dunklen, unergründlichen Kräfte des Wünschliedes. Die Erzählung nahm viel Zeit in Anspruch, doch der alte Mann war endlich still, und das Mädchen lauschte in schweigender Verwunderung.
Als sie fertig war, schaute
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