Shannara III
Finsterweihers, umspann und bannte sie mit seinem Zauber. Der Schatten erschrak derartig, daß er sich nicht von der Stelle rührte, sondern im Netz der Magie schwebend hing, als es sich langsam zuzog. Dann schien der Finsterweiher für den Bruchteil einer Sekunde zu fühlen, was ihm widerfuhr. Unter seinen zusammengerafften Gewändern brodelte und zischte das Wasser des Sees. Doch das Wünschlied umhüllte schnell die ganze in Bann geschlagene Figur und sponn sie ein wie eine Insektenpuppe.
Nun kam die Stimme des Mädchens schneller und in eindeutigerer Absicht. Die Hülle des ersten Liedes, die sanfte, mutterschoßhafte Einbettung, die den Finsterweiher gefangengenommen hatte, ohne daß er das bemerkte, war fort. Nun saß er so fest wie eine Fliege im Spinnennetz und konnte behandelt werden, wie es der in den Sinn kam, die ihn überwältigt hatte. Und doch setzte die Talbewohnerin weder körperliche Kraft noch geistige Stärke gegen dieses Wesen ein, denn jene hatte sie als nutzlos erkannt. Erinnerungen waren die Waffen, derer sie sich nun bediente - Erinnerung von einstmals Gewesenem, Erinnerungen dessen, was dahin und niemals wiederzuerlangen war. Sie alle auferstanden mit der Musik des Wünschliedes. Da war das liebevolle, freundliche Streicheln einer menschlichen Hand. Da waren Duft und Geschmack von Süße und Helligkeit, das Gefühl von Liebe und Freude, von Leben und Tod. All diese Erinnerungen wurden wach und viele andere, die der Finsterweiher in seiner jetzigen Gestalt eingebüßt und sie kaum noch aus seinem längst vergangenen Leben bewahrt hatte.
Mit qualvollem Aufschrei versuchte der Finsterweiher den alten Gefühlen zu entgehen und schillerte und wogte in einer Wolke von Nebel. Doch er vermochte sich dem Zauber des Liedes nicht zu entziehen; langsam ergriff und packte er ihn und lieferte ihn völlig seinen Erinnerungen aus. Brin konnte spüren, wie die Gefühle des Schattens wieder zu Leben erwachten und inmitten der wiedererweckten Erinnerungen strömten seine Tränen. Sie sang kraftvoll anhaltend. Als der Geist ganz in ihrer Gewalt stand, verhärtete sie sich gegen ihren eigenen Schmerz und entzog ihm, was sie gegeben hatte.
»Nein!« heulte die Erscheinung entsetzt auf. »Gib sie mir zurück, Talmädchen! Gib sie mir zurück!«
»Sag mir, was ich wissen wollte«, sang sie und sponn Fragefäden in ihr Lied. »Sag es mir!«
Mit erschreckender Plötzlichkeit strömten die Worte aus dem Finsterweiher, als würden sie durch die Qual, die seine vergessene Seele peinigte, befreit. »Graumark überspannt den Maelmord, wo dieser im Rabenhorn liegt - Graumark, die Burg der Mordgeister. Dort befindet sich der Weg, den du suchst, ein Labyrinth von Abwasserkanälen, die von seinen Sälen und Zimmern tief durch das Gestein führen, auf welchem es steht, um sich in ein Becken weit unterhalb zu ergießen. Schleich dich durch die Kanalisation ein, und die Wandler werden dich nicht sehen!«
»Das Schwert von Leah!« drängte Brin unbarmherzig weiter. »Wo steckt es. Sag mir, wo man es finden kann!«
Der Schmerz schüttelte den Finsterweiher durch und durch, als sie ihn höhnisch mit dem Gefühl dessen, was für immer verloren war, streichelte. »Bei den Spinnengnomen!« schrie der Schatten verzweifelt. »Die Waffe liegt mitten in ihrem Lager; sie haben sie aus dem Mangold-Strom gefischt, wo sie Netze und Reusen vom Ufer ausgelegt haben!«
Unvermittelt löste Brin den Zauber des Wünschliedes mit den Erinnerungen und Empfindungen des früheren Lebens. Sie zog es mit einem raschen, schmerzlosen Schwung zurück und befreite den Schatten aus den Fesseln, die ihn gehalten hatten. Die Echos des Liedes hallten in der Stille nach, die über dem verlassenen See hing, und erstarben zu einem einzigen, qualvollen Ton, der durch die Mittagsluft klang. Es war ein Ton des Vergessens - ein süßer, gespenstischer Schrei, der den Finsterweiher zurückließ, wie er zuvor gewesen war.
Darauf folgte eine lange, schreckliche Stille. Langsam erhob sich Brin und starrte direkt in das Gesicht, das den Spiegel ihres eigenen darstellte. Irgend etwas tief in ihrem Innern heulte entsetzt auf, als sie den Ausdruck sah, der auf das Gesicht trat. Es war, als hätte sie das sich selbst angetan!
Und der Finsterweiher begriff nun, was sie mit ihm angestellt hatte. »Du hast mir die Wahrheit mit Tricks abgerungen, Kind der Finsternis!« klagte der Schatten bitterlich. »Ich fühle, daß du das getan hast. Oh, schwarz bist du!
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