Shannara VI
Schattenwesenselbst riß sich von Par los. Par keuchte und blinzelte und sah, daß Walker Boh seine gesunde Hand um die Kehle Felsen-Dalls gelegt hatte und daß das Druidenfeuer an ihm entlanglief. Er war versengt und zerkratzt, und sein Gesicht war unter dem schwarzen Bart und den Blutstriemen so weiß wie Kreide, aber Walker Boh war in seiner reinen Entschlossenheit stark und brachte seine Magie gegen den Feind zum Tragen. Felsen-Dall bäumte sich brüllend auf, schlug mit seiner behandschuhten Hand um sich und versprühte die Schattenwesenmagie in alle Richtungen. Etwas in dem, was Walker mit ihm tat, hielt Felsen-Dall von seinem leiblichen Körper fern, hielt sein Schattenwesenselbst gerade außerhalb und jenseits davon. Beide Teile kämpften darum, sich wieder zu vereinigen, aber Walker stand zwischen ihnen und hielt sie voneinander fern.
Par stolperte rückwärts und kam dann wieder auf die Füße. Walkers Finger schlossen sich zu einer Faust und zerquetschten etwas in dem Schattenwesen. Felsen-Dall schlug um sich und schrie, und seine schlanke Gestalt bäumte sich auf und erschauerte wild. Schattenwesenfeuer brannte sich in den Boden hinein und bohrte sich in den Fels. Weitere Schattenwesen wollten ihm zu Hilfe eilen, aber Ondit sprang zwischen sie und zerrte und riß an ihnen.
»Gebrauche das Schwert!« zischte Walker Boh Par zu. »Befreie es!«
Par riß die Klinge an sich und rannte auf das Licht zu. Er erreichte es ungehindert innerhalb von Augenblicken, da aller Augen auf den Kampf zwischen dem Druiden und dem Ersten Sucher gerichtet waren. Er erreichte sie, diese pulsierende Masse mit ihren scharlachroten Fesseln, hielt das Schwert von Shannara in beiden Händen und legte es flach an das Licht an.
Dann berief er seine Magie herauf, zwang sie hervor und betete, daß sie kommen würde.
Und sie kam, stieg weich und leicht auf, frei von allen Beschränkungen, die die Magie des Wunschgesangs bewirkt hatte, als seine Ängste und Zweifel und Felsen-Dalls Täuschung ihm eingeflüstert hatten, daß er ein Schattenwesen sei. Sie kam schnell und erhob sich als ein weißes Fanal, das sich in das Licht vor ihm hineinbohrte und dann zurückeilte, um Par ganz zu vereinnahmen. Par sah erneut Wahrheiten über sein Leben, die Wahrheiten seiner Magie, seines Shannara- und Schattenwesenvermächtnisses und seines Elfenerbes. Er atmete sie ein wie die Luft, die ihm Leben verlieh, und wich nicht zurück.
Dann sah er schließlich die Wahrheit des Lichts vor ihm. Er sah, was die Schattenwesen getan hatten, als sie ihre Magie dazu benutzten, die Vier Länder umzuwandeln. Er sah die Bedeutung hinter den Träumen Allanons und den Grund dafür, daß die Kinder von Shannara zum Hadeshorn berufen worden waren. Er sah, was er tun mußte.
Er zog die Magie des Schwertes zurück und ließ die Klinge auf den Höhlenboden fallen. Hinter ihm schlugen Felsen-Dall und Walker Boh in einem scheinbar endlosen Kampf noch immer aufeinander ein. Der Erste Sucher schrie - nicht vor Schmerz über das, was ihm angetan wurde, sondern vor Wut über das, was Par vorhatte. Schattenwesen drängten von allen Seiten heran und versuchten an Morgan Leah vorbeizukommen, der wieder aufgestanden war, und an Ondit, der unzerstörbar schien. Aber es war zu spät für sie. Dieser Augenblick gehörte Par und seinen Freunden und Verbündeten und all jenen, die darum gekämpft hatten, diesen Augenblick zu ermöglichen, all den Lebenden und den Toten, all den Unerschrockenen.
Er berief die Magie des Wunschgesangs ein letztes Mal herauf, brachte sie vollständig hervor und mit ihr alles, was in ihm brannte, was sich aus der dunklen Seite seines Erbes heraus zu dem Monster entwickelt hatte, das ihn fast vereinnahmt hätte. Er berief sie herauf und formte sie noch einmal zu dem Bruchstück blauen Feuers, das zum ersten Mal erschienen war, als er darum gekämpft hatte, der Grube zu entkommen. Das Bruchstück schien auch jetzt ein Stück des azurblauen Blitzes zu sein, der vom Himmel herabkam. Er hob es hoch über sich, ließ es auf die karmesinroten Fesseln der Magie herabsinken, die das Licht banden, und zerbrach sie für immer.
Par erschauerte unter der Wucht des Schlages und unter dem, was die Anstrengung von ihm forderte, die zog, an ihm riß und ihn auslaugte.
Als Antwort auf seine Anstrengung brach das Licht auf, loderte in die dunkelsten Ecken der Höhle hinein und von dort aufwärts in die Südwache. Es jagte die Schatten und die Dunkelheit davon und
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