Shannara VII
bedeutet. Ich will dich nur daran erinnern, daß es die Lebenden sind, die zählen. Immer. Gib deinem Leben, was ihm zusteht, Elfenkönig. Sei stark, wo du stark sein mußt. Schiebe die Möglichkeit, gegen den Dämonenlord vorzugehen, nicht einfach deshalb von dir, weil dir die Waffe, die dazu ausgewählt wurde, unbekannt ist. Sie ist auch ihm unbekannt. Er kennt Klingen, die von Menschen hergestellt wurden, und er wird deine für eine solche halten. Überrasche ihn. Laß ihn den Geschmack von einer ganz besonderen Art Metall schmecken.«
Jerle Shannara wich jetzt ein wenig zurück, er schüttelte den Kopf und betrachtete das Schwert immer noch zweifelnd. »Ich bin nicht so dumm, etwas nur deshalb nicht zu glauben, weil es mir schwerfällt, es zu akzeptieren«, sagte er. Er blieb vor dem Fenster stehen und schaute nach draußen in den Regen. »Aber das hier ist schwer. Es verlangt soviel von mir.« Sein Mund wurde zu einer harten Linie. »Wieso bin ich dazu auserwählt? Es macht keinen Sinn für mich. Es gibt so viele, die besser für eine solche Waffe geeignet sind. Ich verstehe etwas von Eisen und roher Kraft. Dies hier… dieses raffinierte Kunstwerk ist mir nicht geheuer. Wahrheit als Waffe macht nur Sinn, wenn es um Ratsversammlungen oder Politik geht. Sie erscheint mir nutzlos auf einem Schlachtfeld.«
Er drehte sich zu dem Druiden um. »Ich würde mich dem Dämonenlord ohne Zögern entgegenstellen, wenn ich diese Waffe wie eine gewöhnliche Klinge führen könnte, die ein Meisterschmied zu diesem Zweck mit all seinen Fähigkeiten aus Metall schmiedete. Ich könnte die Waffe ohne irgendwelche Zweifel annehmen, wenn ich sie als das benutzen könnte, was sie zu sein vorgibt.« Seine blauen Augen blickten gequält. »Aber dies hier? Ich bin ungeeignet dafür, Bremen.«
Der Druide nickte langsam als Zeichen des Verstehens. »Aber du bist alles, was wir haben, Jerle. Wir können nicht wissen, wieso du dazu ausersehen wurdest. Möglicherweise, weil es dein Schicksal war, Elfenkönig zu werden. Vielleicht auch aus Gründen, die hinter allem liegen, was wir erkennen können. Vielleicht könnten die Toten es uns sagen, aber sie haben sich entschieden, es nicht zu tun. Wir müssen das akzeptieren und weitermachen. Du bist derjenige, der das Schwert tragen soll. Du sollst es in den Kampf führen. Es ist vorherbestimmt. Es gibt keine andere Wahl, und du mußt das Beste daraus machen.«
Seine Stimme verklang zu einem Flüstern. Draußen fiel der Regen immer noch unaufhörlich in einem weichen, regelmäßigen Fluß und hüllte das Waldland in silbrigen Glanz. Der Tag war mit der Sonne nach Westen gezogen, und nun herrschte Dämmerung. Arborlon lag ruhig im Schutz des Waldes - eine Stadt, die langsam ihr nächtliches Kleid anlegte. Es war still im Arbeitszimmer, still im Sommerhaus, und es war, als gäbe es niemanden sonst in der Welt außer diesen beiden Männern, die im Zwielicht der Kerze dastanden und einander anblickten.
»Warum darf niemand außer mir von dem Geheimnis des Schwertes wissen?« fragte Jerle Shannara ruhig.
Der alte Mann lächelte traurig. »Du könntest deine Frage selbst beantworten, wenn du wolltest, Elfenkönig. Niemand darf davon wissen, weil es niemand glauben würde. Wenn deine Zweifel gegenüber den Fähigkeiten des Schwertes so groß sind, denk darüber nach, welche Zweifel deine Leute haben würden. Vermutlich sogar Preia. Das Schwert bezieht seine Kraft aus der Wahrheit. Wer wird glauben, daß etwas so Einfaches gegen die Macht des Dämonenlords bestehen kann?«
Ja, wer? dachte der König.
»Du hast es selbst gesagt. Ein Schwert ist eine Waffe für den Kampf.« Aus dem Lächeln wurde ein müder Seufzer. »Laß die Elfen damit zufrieden sein. Zeige ihnen das Schwert, das du trägst, die Waffe, die dir übergeben wurde, und sage nur, daß sie ihnen sehr nützlich sein wird. Mehr wollen sie nicht wissen.«
Jerle Shannara nickte wortlos. Nein, dachte er, mehr wollen sie nicht wissen. Der Glaube funktioniert am besten, wenn er von keiner Vernunft getrübt wird.
In diesem Augenblick voller Selbstzweifel und Ängste, in diesem Moment stiller Zustimmung zu einem Pakt, den er weder annehmen noch zurückweisen konnte, wünschte er sich, daß es auch für ihn so einfach wäre zu glauben.
Kapitel 28
Gegen Mittag des folgenden Tages war Jerle Shannara auf dem Weg zum Tal von Rhenn und dem Kampf, den das Schicksal für ihn bestimmt hatte. Er war kurz nach dem Sonnenaufgang mit Preia, Bremen,
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