Shannara VII
Mäntel ab und reichte ihnen Decken, mit denen sie sich trocken reiben konnten. Helfer des Heilers kamen und gingen, während sie ihre Aufgaben erledigten, betrachteten die Reisenden, sagten jedoch nichts. Walker schenkte ihnen keinerlei Beachtung; seine Gedanken galten allein dem toten Schiffbrüchigen. Von dem Lebenden hatte er also nichts mehr erfahren können. Würde er eine Möglichkeit finden, wie ihm der Tote Auskunft geben konnte?
Der Heiler kehrte mit Suppenschüsseln und Bierkrügen zurück, ließ ihnen einen Augenblick Zeit, damit sie mit dem Essen beginnen konnten, und rückte einen Stuhl neben sie. Er wirkte erschöpft und nervös, aber beides war durchaus zu erwarten. Walker spürte weder Geheimnisse noch üble Absichten bei ihm; der Heiler war kein böser Mann.
Ihr Gastgeber fragte sie nach ihrer Reise, und sie unterhielten sich ein wenig mit ihm, während sie aßen. Draußen hatte der Regen an Heftigkeit zugenommen, und die Tropfen prasselten geräuschvoll gegen die Fenster und auf das Dach. Die Lichter, die in den Häusern der Umgebung brannten, verschwammen in der feuchten Dunkelheit. »Der Mann, den ihr behandelt habt, Dorne, hat er mit jemandem gesprochen?«, fragte Walker schließlich.
Der Heiler schüttelte den Kopf. »Mit niemandem.«
»Hat ihn irgendjemand aufgesucht, wenn auch nur für wenige Augenblicke?«
»Nein, niemand.«
»Veränderte sich sein Zustand, bevor er starb?«
»Nein.«
»War irgendetwas anders an ihm, nachdem er verschieden war?«
Der Heiler dachte einen Augenblick darüber nach. »Nun, vielleicht lese ich mehr hinein, als ich sollte, doch er wirkte friedlich.« Er zuckte mit den Schultern. »Allerdings bringt der Tod Erleichterung vom Leiden mit sich, und dieser Mann hat schwer gelitten.«
Walker dachte schweigend einen Moment darüber nach. Im Kamin knackte das brennende Holz und loderte auf. »Ist während der vergangenen zwei Tage sonst noch jemand im Ort gestorben, möglicherweise unerwartet?«
Der Heiler riss die Augen auf. »Ja, in der Tat. Ein Mann, der bei mir gearbeitet hat - nicht als Heiler, sondern nur als Pfleger -, wurde unweit seiner Hütte tot im Wald aufgefunden. Es war Glück, dass man ihn überhaupt entdeckt hat. Es ist eine abgelegene Stelle, die selten aufgesucht wird. Eine Schlange hat ihn gebissen, eine sehr giftige - was für diese Gegend äußerst ungewöhnlich ist. Das würde man eher von Wildewald erwarten.«
Walker stellte seine Schüssel ab und erhob sich. »Könntest du mir jetzt den Raum zeigen, in dem der Schiffbrüchige gestorben ist?« bat er den Heiler. »Hunter, iss ruhig weiter. Das kann ich allein erledigen.«
Er folgte Dorne durch einen Gang zu einem Raum im hinteren Teil des Gebäudes. Dann schickte er Dorne zurück, um Hunter Gesellschaft zu leisten, und sagte, er würde in Kürze wieder zu ihnen stoßen. Der Heiler wollte die Wandkerzen anzünden, doch Walker sagte, die Dunkelheit wäre für das, was er vorhabe, besser geeignet.
Nachdem der Heiler gegangen war, stellte er sich in die Mitte des Raums, wo ihn die Dunkelheit einhüllte, lauschte auf den Regen und beobachtete die Bewegungen der Schatten. Nach einer Weile schloss er die Augen, schnüffelte an der Luft und machte sich zu einem Teil seiner Umgebung. Er entspannte sich und ließ seine Gedanken zur Ruhe kommen. Hinten im Gang hörte er das leise Murmeln von Stimmen. Nach und nach blendete er sie aus.
Die Zeit entglitt seinen Händen. Langsam sammelte er die Fragmente dessen, wonach er suchte, die Hinterlassenschaften und Reste mächtiger Magie, die vor nicht allzu langer Zeit eingesetzt worden war. Sie drangen auf verschiedene Weise zu ihm vor, manche als leise Geräusche, andere als Bewegungen, die er durch die geschlossenen Lider wahrnehmen konnte, und wieder andere als Gerüche des Anwenders der Magie. Das genügte zwar nicht, um ein komplettes Bild zu erstellen, doch es gelang ihm, ausreichend kleine Wahrheiten zusammenzutragen, die ihm wohl begründete Vermutungen erlaubten.
Schließlich schlug er zufrieden die Augen auf. Nie konnte die Anwendung von Magie vollkommen vor jenem verborgen werden, der wusste, wo er nach ihr zu suchen hatte. Stets blieben Rückstände erhalten.
Er ging zurück in das Zimmer, wo Hunter Predd und Dorne saßen. Beide blickten bei seinem Eintreten auf. »Kannst du mir das Kühlhaus zeigen?«, bat er den Heiler. »Ich möchte mir die Leiche des Schiffbrüchigen anschauen.«
Der Heiler erklärte sich einverstanden, sagte aber,
Weitere Kostenlose Bücher