Shannara VII
grollend die Stille der Nacht durchbrechen. Er blickte nach Süden, um den Blitz zu sehen, der ihm vorangegangen sein mußte, erkannte aber sogleich, daß er schon vergangen war. Er war beunruhigt, wenn auch nicht mehr als in jeder anderen Nacht, und entsprechend seiner Arbeitsmoral führte er seine Pflichten überaus wachsam aus. Manchmal dachte er, daß er schon zu lange auf Paranor lebte. Er verrichtete gute Arbeit, er wußte, daß er immer noch gut war. Er war auch stolz auf seine Garde; sämtliche der jetzt im Dienst stehenden Wachen waren von ihm ausgewählt und ausgebildet worden. Es war ein zuverlässiger Haufen, und Caerid wußte, daß ihm das Lob dafür gebührte. Aber er wurde nicht jünger, und das fortschreitende Alter wurde von einer Schläfrigkeit der Sinne begleitet, die häufig der Selbstzufriedenheit Vorschub leistete. Gerade das konnte er sich jedoch kaum erlauben. Der Krieg im Nordland und die Gerüchte um den Dämonenlord zeigten, in welch gefährlicher Zeit sie lebten. Caerid spürte die Veränderung. Etwas Schreckliches kam auf die Vier Länder zu, und ganz sicher würden auch die Druiden hinweggeschwemmt werden. Etwas Schreckliches nahte, und Caerid Lock hatte Angst, daß er zu spät erkennen würde, welches Gesicht die Gefahr trug.
Er schritt durch eine Tür am Ende des Hofes und ging einen Gang entlang, der ihn zur Mauer und zum Tor im Norden brachte. Vier Tore führten in die Festung, in jeder Himmelsrichtung eins. Es gab auch einige kleinere Türen, aber sie waren aus Stein und mit Eisen verstärkt, und zudem waren die meisten von ihnen geschickt verborgen. Wenn man angestrengt schaute, konnte man sie finden, aber dazu mußte man sich direkt unter die Mauer stellen, wo das Licht gut war, man sich jedoch den Blicken der Wächter auf den Zinnen preisgab. Trotzdem stellte Caerid während der Stunden zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang dort Männer auf, denn er wollte absolut sichergehen. Als er auf das Westtor zuschritt, kam er an zweien dieser Wachen vorbei. Sie standen im Abstand von fünfzig Metern an den Türen im Gang und salutierten zackig. Wir sind wachsam und bereit, sollte das heißen. Caerid nickte ihnen anerkennend zu und ging weiter.
Als er jedoch außer Sichtweite war, zog er mißbilligend die Stirn in Falten. Ihre Aufstellung beunruhigte ihn. Der Mann an der ersten Tür, ein Troll von Kershalt, war ein Veteran, aber der zweite Mann war ein junger, neuer Elf. Caerid Lock mochte es nicht, wenn neue Männer ohne sein Wissen eingeteilt wurden. Er nahm sich vor, das vor der nächsten Wache zu korrigieren.
Er war ganz in diese Angelegenheit versunken, als er an einer Hintertreppe vorbeiging, die von den Schlafquartieren der Druiden herabführte, und so entgingen ihm die verstohlenen Bewegungen der drei dort verborgenen Männer.
Die drei preßten sich fest an die Steinwand, als der Befehlshaber der Druidenwache unter ihnen vorbeiging, ohne sie zu sehen. Sie verharrten vollkommen reglos, bis er gegangen war, dann lösten sie sich wieder von der Wand und schlichen weiter. Sie waren allesamt Druiden, und jeder von ihnen diente dem Rat seit mehr als zehn Jahren. Aber in jedem von ihnen brannte auch die fanatische Überzeugung, für Größeres bestimmt zu sein. Zwar lebten sie entsprechend den Regeln, doch hatten sie sich zunehmend über all diese Anordnungen geärgert und fanden sie dumm, sinnlos und unbefriedigend. Wenn das Leben einen Sinn haben sollte, mußte man Macht besitzen. Die Leistungen eines Mannes bedeuteten nichts, solange sie nicht in persönlichen Vorteilen resultierten. Welchen Zweck hatte es, im Privaten zu studieren, wenn dies nicht in praktischen Nutzen umgesetzt werden konnte? Welchen Sinn machte es, all die Geheimnisse der Wissenschaft und der Magie zwar auszukundschaften, das Wissen aber niemals zu verwenden? Derartige Fragen hatten sie sich gestellt, zuerst jeder für sich allein, dann, als sie erkannten, daß sie diese Überzeugung teilten, gemeinsam. Natürlich standen sie mit ihrer Unzufriedenheit nicht allein da. Andere waren ähnlicher Meinung. Aber im Gegensatz zu den anderen glaubten diese drei so inbrünstig daran, daß sie den Verlockungen der Macht schließlich erlagen.
Es hatte niemals Hoffnung für sie gegeben. Lange Zeit schon hatte der Dämonenlord nach ihnen Ausschau gehalten, hatte seine Rache gegenüber den Druiden geplant. Schließlich hatte er die drei gefunden und zu seinen Anhängern gemacht. Es hatte seine Zeit gedauert, aber
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