Shannara VIII
er sich, da er über die Sache sprechen wollte und der Meinung war, dies würde eine Weile dauern, obwohl er nicht wusste, was er sagen würde. Oder sollte. »Ich habe das Gleiche gedacht wie Hawk - dass du dich niemals mit irgendwem einlassen würdest, weil du es mit keinem Mann aushalten würdest.«
»Nun, ihr habt euch wohl geirrt.«
»Mir scheint es nur so, als würdet ihr jeder ein so unterschiedliches Leben führen. Wenn ihr auf dieser Reise nicht zufällig aufeinander gestoßen wäret, hätten sich eure Wege niemals gekreuzt. Hast du schon darüber nachgedacht, was passiert, wenn du wieder zu Hause bist?«
»Falls ich wieder nach Hause komme.«
»Sicherlich. Dann kehrt Bek ins Hochland zurück, und du bist wieder eine Fahrende.«
Sie atmete scharf aus, ließ Grianne Ohmsfords Hände los und wandte sich ihm zu. »Wir sollten besser eines klar stellen. Ich habe dir erzählt, was ich für Bek empfinde. Das ist alles noch sehr neu für mich, und ich versuche gerade herauszufinden, was es für mich bedeutet. Dabei will ich nicht allzu weit in die Zukunft denken. Aber bei manchen Dingen bin ich mir sehr sicher. Mein jetziges Leben hängt mir zum Halse heraus. Und zwar schon seit einer ganzen Weile. Auf der Prekkendorranischen Anhöhe hat es mir überhaupt nicht gefallen, und seitdem war mir eigentlich das meiste egal. Ich dachte, diese Reise und die weite Entfernung von allem, was ich bisher kannte, würden die Lage ändern. Hat es aber nicht. Stattdessen habe ich das Gefühl, ich sei jahrelang durch die Gegend gezogen und nie irgendwo angekommen. Das ist aber nicht das, was ich will. Deshalb bin ich bereit, mir Bek mal genauer anzuschauen, um zu sehen, ob er mir vielleicht das geben kann, was ich suche.«
Redden Alt Mer wich ihrem Blick nicht aus. »Da lädst du ihm eine Menge auf, nicht?«
»Ich lade ihm gar nichts auf. Ich trage diese Bürde ganz allein. Er liebt mich ebenfalls, Redden. Er liebt mich so wie niemand zuvor. Nicht meines Aussehens oder meiner Fähigkeiten wegen. Nicht, weil er irgendeine Vorstellung hat, wer ich bin. Es geht viel tiefer. Er berührt Stellen, die Worte nicht ausdrücken können und auch nicht müssen. Es macht einen Unterschied, wenn jemand dich auf diese Weise liebt. Mir gefällt es jedenfalls so gut, dass ich nicht darauf verzichten will, ehe ich mir die Zeit genommen habe zu erkunden, wohin es mich führt.«
Sie schob sich in eine andere Sitzposition, wobei man ihr deutlich anmerkte, wie schwer ihr das wegen ihrer Verletzungen und Wunden fiel, die noch längst nicht verheilt waren. »Ich wollte die Ilse-Hexe töten«, sagte sie. »Ich hatte die feste Absicht, es zu tun, sobald ich nur dazu in der Lage wäre. Denn ich habe gedacht, das sei ich Hawk schuldig. Aber jetzt bin ich nicht mehr fähig dazu. Nicht solange Bek daran glaubt, sie könnte aufwachen und wieder seine Schwester sein. Nicht nachdem, was er getan hat, um sie zu beschützen und ihr die Chance zu geben, wieder gesund zu werden. Dazu habe ich kein Recht, nicht einmal, wenn ich dadurch den Verlust von Hawk besser verschmerzen würde.
Aus diesem Grunde habe ich beschlossen, das zu versuchen, was Bek nicht gelungen ist. Ich habe mich entschieden, den Versuch zu unternehmen, sie zu erreichen, den Ort zu suchen, an dem sie sich aufhält, das zu entdecken, wovor sie sich versteckt, und den Versuch zu unternehmen, ihre Gefühle zu verstehen. Ich habe mich entschieden, sie spüren zu lassen, dass sich noch jemand Sorgen um sie macht. Vielleicht gelingt es mir ja. Aber selbst wenn nicht, muss ich es wenigstens probieren. Weil das die Liebe eben von dir verlangt - dich einer Sache hinzugeben, an die jemand anders glaubt, selbst wenn du selbst daran zweifelst. Genau das möchte ich für Bek tun. Solche Gefühle hege ich für ihn.«
Sie wandte sich wieder Grianne Ohmsford zu, ergriff die Hände des Mädchens und hielt sie fest. »Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ich ihr helfen kann, und vielleicht helfe ich mir selbst ebenfalls dabei. Ich bin genauso verwirrt wie sie. Wenn ich sie finde, dann finde ich möglicherweise auch mich selbst. Durch Bek. Durch die Gefühle, die ich für ihn hege.« Sie beugte sich wieder vor und schob ihr Gesicht so dicht an Griannes heran, dass man fast meinen mochte, sie würde die Hexe küssen. »Ich glaube weiterhin, es könnte möglich sein.«
Schweigend starrte er sie an und dachte, wie wenig sicher er sich war und wie verwirrt er selbst sich fühlte.
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