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Shannara VIII

Titel: Shannara VIII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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sie bald gegenüberstehen könnten, und der Frage, was sie tun könnten, um das zu vermeiden.
     Eine Sorge jedoch war stärker als die anderen.
     Er beugte sich dicht an Rue heran. »Ich weiß nicht, was ich mit Grianne machen soll.« Seine Lippen berührten ihr Ohr, und er sprach in leisestem Flüsterton. In der leeren Stille der Ruine trug jede Stimme weit, über die Mauern aus Stein und Mörtel hinaus. »Wenn der Morgawr ihretwegen kommt, kann sie sich nicht selbst wehren. Sie ist hilflos.«
     Rue lehnte den Kopf bei ihm an, und ihr Haar fühlte sich so weich an wie Spinnweben. »Willst du sie an einem anderen Ort verstecken?«, fragte sie flüsternd.
     »Nein. Gleichgültig, wo sie ist, er wird sie finden. Ich muss sie aufwecken.«
     »Das versuchst du schon seit Wochen, Bek, und zwar ohne Erfolg. Du hast doch schon alles ausprobiert.«
     Er küsste sie aufs Haar und legte die Arme um sie. »Ich muss eben herausbekommen, weshalb sie in ihrem Versteck bleibt. Und was sie herauslocken könnte.«
     Selbst in der Dunkelheit konnte er ihr Lächeln spüren. »Das ist aber kein neuer Plan. Das ist der alte.«
     Nickend tätschelte er ihr Knie mit leisem Tadel. »Sicherlich. Aber stell dir vor, wir würden tatsächlich einen Weg entdecken, wie wir sie wecken können. Bisher haben wir beide zwar alles ausprobiert, was uns einfiel, jedoch auf eine allgemeine Art und Weise, ohne auf etwas Konkretes einzugehen. Walker hat gesagt, sie würde erst zurückkommen, wenn sie eine Möglichkeit gefunden hätte, sich selbst die schlimmste ihrer Untaten zu verzeihen. Darin könnte der Schlüssel liegen. Wir müssen verstehen, welche Untat das ist.«
     Sie hob den Kopf, und das rote Haar fiel ihr aus dem Gesicht. »Wie willst du das denn anstellen? Sie muss sich vermutlich hunderte von Verbrechen vergeben. Und von denen willst du ein einziges herauspicken?«
     »Walker sagt, es sei dasjenige, das sie für ihre schlimmste Untat hält.« Er hielt kurz inne und überlegte. »Was könnte das sein? Was soll sie als ihre schlimmste Untat ansehen? Sie hat haufenweise Menschen getötet. Welches Unrecht könnte wichtiger sein als die anderen?«
     Rue runzelte die glatte Stirn. »Vielleicht etwas, das sie getan hat, als sie zur Ilse-Hexe geworden ist, als sie noch jung war, in ihrer Kindheit, etwas, das den Kern dessen bildet, was seitdem aus ihr geworden ist.«
     Lange starrte er sie an und erinnerte sich an den Traum, den er kürzlich nachts gehabt hatte. Der spukte ihm immer noch durch den Kopf, obwohl die Einzelheiten sich verflüchtigt hatten und nur ein vages Bild geblieben war. Jetzt hing es irgendwo vor ihm im Raum, doch konnte er es nicht greifen. Wenn er sich nur ein bisschen strecken würde, gelänge es ihm, es zu packen.
     »Was denn?«, fragte sie.
     »Ich weiß nicht. Ich glaube, du hast gerade etwas gesagt, das uns helfen könnte, das mit der Kindheit.« Er sah sie unverwandt an. »Ich muss an Bord und mich zu ihr setzen. Wenn ich sie anschaue und eine Weile lang mit ihr zusammen bin, komme ich vielleicht weiter.«
     »Soll ich dich begleiten?«
     Auf sein Zögern hin schloss sie sein Gesicht in ihre Hände. »Geh allein, Bek. Wahrscheinlich solltet ihr besser allein sein. Ich gucke später vorbei, ob du etwas brauchst.«
     Sie küsste ihn innig, dann löste sie sich von ihm und ging an Bord des Luftschiffs. Er saß noch einen Moment still da und kämpfte mit dem Durcheinander seiner Gedanken, ehe er ihr folgte.
     
    Es gab keinen Anlass zu der Vermutung, dass sich diese Nacht von den vorhergehenden unterscheiden würde, und dennoch fühlte Bek eine unerklärliche Gewissheit in sich. Durch nichts, das er bislang versucht hatte - und er hatte alles versucht -, seit er Grianne mit dem blutigen Schwert von Shannara in den Händen gefunden hatte, konnte er sie auch nur zum Blinzeln verlocken. Nur das eine Mal, als er vor lauter Enttäuschung geweint hatte, in einem Moment, als er gar nicht hatte zu ihr vordringen wollen, war sie aus der Katatonie erwacht und hatte mit ihm gesprochen. Den Grund dafür hatte er nicht begriffen, doch heute Nacht musste er ihn unbedingt verstehen. Der Schlüssel zu allem lag darin, die Ursache für ihr einmaliges Aufwachen mit dem Unrecht in Verbindung zu setzen, das sie irgendwann in der Vergangenheit begangen hatte und als unverzeihlich betrachtete.
     Er teilte Redden Alt Mer sein Vorhaben mit und schlug vor, einer der anderen sollte auf einem der höheren Türme Wache halten. Alt Mer

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