Shannara VIII
Luft auflöste.
Es war nur eine Illusion, erkannte sie. Das war nicht der Morgawr gewesen. Er hatte sie überlistet.
Sie drehte sich um, und da stand er genau hinter ihr.
Bek und Rue Meridian hörten die Explosion, doch sie waren mehrere Räume weit entfernt und suchten vergeblich einen Weg durch das Labyrinth, der sie zu Grianne führen würde. Ein solches Geräusch hatte keiner der beiden je gehört, ein metallisches, schrilles Kreischen, bei dem sich ihnen die Haare aufstellten. Bek erkannte sofort die Quelle; Grianne hatte die Magie des Wunschliedes beschworen.
Er schrie ihren Namen, dann preschte er kopflos vor und gab sich keine Mühe mehr, seine Gegenwart zu verbergen, weil er nur schnell genug an den Ort des Geschehens kommen wollte, bevor es zu spät war.
»Bek, halt!«, rief ihm Rue erschrocken hinterher.
Zu spät. Sie bogen um eine Ecke des Ganges, dessen Mauern so hoch waren, dass sie nur den blauen Himmel über sich sehen konnten, und liefen genau auf Cree Bega und seine Mwellrets zu. Aus entgegengesetzten Richtungen rannten die beiden Gruppen in einen schattigen Hof voller Schutt und kamen nur mit Mühe zum Stehen.
Das alles passierte so plötzlich, dass Bek noch immer damit beschäftigt war zu begreifen, was vor sich ging, während Rue ihre beiden Messer warf, die wie helle Blitze ihr Ziel suchten. Zwei der Rets starben, doch der Rest griff an.
Damit wären sie erledigt gewesen, wenn Bek nicht auf die Bedrohung durch die riesigen Rets instinktiv reagiert hätte. Er beschwor seine Magie voller Verzweiflung und schleuderte seinen Gegnern eine Mauer aus Schall entgegen. Die fegte über die Rets genauso hinweg wie über die Kriecher in den Ruinen von Castledown und warf sie zu Boden.
Drei konnten ausweichen und preschten weiter vor. Bek blieb nur noch ein kurzer Moment, das Funkeln ihrer Klingen zu sehen, dann hatten sie ihn erreicht.
Rue tötete den Ersten, flink und unerbittlich, indem sie sich unter seinen muskulösen Armen duckte und ihm ihr drittes Wurfmesser in die Kehle stach. Auch den zweiten konnte sie aufhalten, aber der schob sie unaufhaltsam mit seiner großen Masse zurück. Bek beobachtete, wie sie fiel, dann konnte er nicht mehr auf sie achten, weil der dritte Angreifer ihn erreichte und mit dem Messer nach seiner Kehle stach. Er parierte den Hieb mit einem trotzigen Schrei. Seine Stimme war durchsetzt mit der Magie des Wunschliedes; explosionsartig schoss die Magie vor, als Reaktion auf seine Angst und seine Wut, und zerfetzte den Kopf des Rets. Sein Gegner war tot, bevor er begreifen konnte, wie ihm geschah, und Bek erhob sich wieder auf die Füße.
»Rue!«, rief er verzweifelt.
»Nicht so laut. Ich höre dich ja.«
Sie schob sich unter dem Körper ihres Gegners hervor, aber nur mit einigen Schwierigkeiten. Blut bedeckte sie, und ein zerfranster Riss zog sich über die Vorderseite ihres Hemds, ein weiterer hatte den linken Ärmel aufgetrennt. Bek ließ sich neben ihr auf die Knie nieder und wälzte den toten Ret von ihr herunter. Er fing an, sie nach Wunden abzusuchen, doch sie stieß ihn zur Seite.
»Lass mich in Ruhe. Ich habe mir wieder die Rippen gebrochen. Jeder Atemzug tut weh.« Sie musste schlucken, so heftig war der Schmerz. »Bring mir meine Messer. Und pass auf. Möglicherweise lebt noch einer von denen.«
Er zog das Messer aus der Kehle des einen Rets, der ein Stück neben ihr lag, dann durchquerte er den Hof, wo die anderen zu Boden gegangen waren. Die Wucht seiner Magie hatte sie so stark zerschmettert, dass man sie kaum mehr erkennen konnte. Einen Augenblick lang starrte er sie an, und ihm wurde übel, weil er für dieses Gemetzel verantwortlich war und weil er sie getötet hatte. So viele Tote hatte er nicht mehr gesehen seit dem Angriff auf die Besatzung der Jerle Shannara vor einigen Wochen in den Ruinen. Er zögerte einen Moment zu lange, während er über die Toten hier und dort nachdachte, und plötzlich drehte sich ihm der Magen um. Also fiel er auf die Knie und übergab sich hilflos.
»Beeil dich schon!«, rief Rue ihm ungeduldig zu.
Daraufhin holte er die beiden anderen Wurfmesser, brachte sie ihr zurück und wollte erneut ihre Wunden versorgen. »Überlass das mir«, sagte sie und stieß ihn erneut fort.
»Aber du blutest!«, wandte er ein.
»Das Blut stammt zum größten Teil gar nicht von mir, sondern vom Ret.« In ihren Augen glänzten Tränen, doch sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich kann dich mit
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