Shannara VIII
Wichtiges, das er für sich behielt. Vermutlich fühlte er tatsächlich eine Verbindung zu Bek, zum Teil wegen der Magie und zum Teil, weil er dem Jungen das Leben gerettet hatte. Sicherlich stimmte es auch, dass er diese Reise unternahm, weil sie seinem Leben einen Zweck gab, ihm neue Erkenntnisse vermittelte und seine Sehnsucht befriedigte, zu einer Gemeinschaft zu gehören. Das einsame Leben im Wolfsktaag hatte gewiss enge Grenzen. Trotzdem war das alles nur ein Teil der Wahrheit, und der Rest blieb irgendwo in der großen Geheimnistruhe des Gestaltwandlers verborgen.
»Warum ziehst du nie deinen Mantel aus?«, fragte Bek aus einem plötzlichen Impuls heraus.
Er hatte nicht darüber nachgedacht, und dennoch, das wusste er, würde die Frage eine heftige Reaktion provozieren. Und tatsächlich spürte er eine Veränderung bei seinem Gefährten, einen kühlen Rückzug, der Wut, Niedergeschlagenheit und Traurigkeit verkündete. Dessen ungeachtet nahm er die Frage nicht zurück.
»Warum zeigst du mir nie dein Gesicht?«, drang er weiter vor.
Truls Rohk schwieg einen Augenblick lang. Bek hörte seinen scharfen Atem. »Du willst gewiss nicht sehen, wie ich wirklich bin, Junge. Ohne diesen Mantel möchtest du mich bestimmt nicht sehen.«
Bek schüttelte den Kopf. »Vielleicht doch. Was wäre falsch daran, dich so sehen zu wollen, wie du wirklich bist? Wenn tatsächlich eine Verbindung durch die Magie zwischen uns besteht, brauchst du doch dein Aussehen nicht vor mir zu verbergen.«
»Ach! Was weißt du schon darüber, was ich brauche? Wir haben uns erst kürzlich kennen gelernt, du und ich. Du glaubst, bereit zu sein für das, was sich unter dieser Robe und der Kapuze verbirgt, aber das stimmt nicht. Noch weißt du nichts über mich. Ein solches Wesen wie mich gibt es kein zweites Mal, einen Halbling - einen Gestaltwandler, der gleichzeitig ein Mensch ist. Möglicherweise weiß ich selbst nicht, was das ist. Hast du einmal darüber nachgedacht? Wir verändern uns, wie wir wollen, wir Gestaltwandler, nehmen die Form an, die wir brauchen. Was bedeutet das, wenn du zur Hälfte ein Mensch bist? Was passiert, wenn eine Hälfte von dir unveränderbar ist und die andere so dünn wie Luft? Denk lieber nach, ehe du mich das nächste Mal fragst, ob ich dir mein Äußeres zeige!«
Damit erhob er sich. »Genug davon. Ich habe über unsere Lage nachgedacht. Die Hexe, deine Schwester, verfolgt uns weiterhin. Selbst wenn wir sie am Fluss ein wenig abgehängt haben, wird sie uns wieder finden. Ich möchte wissen, ob ihr das bereits gelungen ist und welche Hilfe sie aufgetrieben hat. Falls sie in der Nähe ist, muss ich eine Möglichkeit suchen, sie erneut aufzuhalten. Daher gehe ich den Weg zurück und schaue nach, ob sie unsere Spur schon wieder aufgenommen hat.«
Er zögerte kurz. »Du schläfst, während ich unterwegs bin, Junge. Such in deinen Träumen nach mir. Oder noch besser in deinen Albträumen. Vielleicht siehst du dort, wer ich wirklich bin.«
Er drehte sich um und verschmolz mit der Nacht. Bek starrte hinter ihm her. Lange Zeit bewegte er sich nicht.
Die Ilse-Hexe kaute ein letztes Mal auf der Wurzel herum, die sie sich zum Essen gesucht hatte, schluckte und starrte in die zunehmende Finsternis. Bald würde sie aufbrechen, die Spur wieder aufnehmen und dem Jungen und dem Gestaltwandler in die Berge folgen. Sie waren klug und einfallsreich - zumindest der Gestaltwandler -, und sie konnte es sich nicht leisten, ihnen einen zu großen Vorsprung zu lassen. Deshalb musste sie sich beeilen, damit sie den Anschluss nicht verlor. Vielleicht würde sie die beiden sogar noch heute Nacht erwischen, wenn sie Rast einlegten.
Schließlich mussten sie das, oder? Der Junge besaß nicht die Ausdauer, um einen derartigen Marsch ohne Rast durchzuhalten, selbst wenn es dem Gestaltwandler nichts ausmachte. Er würde irgendwann schlafen müssen. Wenn sie nur schnell genug wäre, würde sie die zwei überraschen können.
Sie warf den Rest der Wurzel zur Seite. Inzwischen hätte sie sie längst eingeholt, wenn sie ihr nicht solche Hindernisse in den Weg gelegt hätten. Das unten am Fluss war klug gewesen, eine falsche Spur an einem Ufer zu legen und sich dann ans andere zu schwingen. Das hatte den Caull verwirrt, der am falschen Ufer auf und ab gelaufen und vor Wut fast wahnsinnig geworden war. Der Caull hatte Talent und besaß außergewöhnliche Instinkte, doch mangelte es ihm an Verstand. Sie war diejenige, die den Haken in den
Weitere Kostenlose Bücher