SHANNICE STARR (German Edition)
hören!«, würgte Dread ihren Redefluss ab und unterstrich seine Worte mit einer eindeutigen Geste. Seine flache Hand schnitt von links nach rechts durch die Luft.
»Also schön. Frag mich nicht wie, aber ein paar Jahre später, ich war gerade mal neunzehn, bin ich in diesem texanischen Bordell gelandet, dem Borderline. Mir machte es nichts aus, jeden Tag mit einem anderen Kerl – oder auch mehreren – ins Bett zu gehen. Dafür hatte ich ein Dach über dem Kopf und immer eine warme Mahlzeit. Etwas von dem Geld, das ich verdiente, durfte ich sogar behalten. Eigentlich ging’s mir gut. Jedenfalls für ein gutes Jahr. Bis ich diesen Perversen erschossen habe. Gerade, als mich die Meute hängen wollte, tauchte er auf: Douglas Cassidy. Er hat alles zum Guten gewendet, nahm mich mit zu sich nach Hause, kümmerte sich um mich … Und ich merkte ziemlich schnell, dass ich mich verliebt hatte. Ich wusste einfach, dass es Liebe sein musste, auch wenn dieses Gefühl für mich vollkommen neu war …« Sie schmunzelte. »Vielleicht auch gerade deswegen.«
Josh Dread schnürte einen Stoffbeutel auf und holte ein Stück Dörrfleisch hervor. Unter seinem Mantel langte er nach einem Messer, schnitt ein Stück aus der Keule und hielt es Shannice hin. Sie winkte ab.
»Es ist immer wieder dieselbe Geschichte«, brummte Dread und schob sich die Fleischschnitte in den Mund, und erstarrte beim kauen. Kein Muskel rührte sich in seiner Miene, und auch die Augen waren starr auf einen Punkt am Boden gerichtet.
»Was ist los?« Verwirrt blickte Shannice Starr den Mann ihr gegenüber an, dessen Gesicht immer nur ganz kurz aus den tänzelnden Schatten hervortrat, die die züngelnden Flammen des knisternden Lagerfeuers darauf warfen.
Mit einer knappen, nicht minder energischen Bewegung und zusammengezogenen Brauen bedeutete Dread der Frau zu schweigen.
»Komm zu mir rüber!«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
Shannice blieb geduckt, pirschte sich auf den Knien an den Headhunter heran. Als sie mit ihm auf einer Höhe war, drehte sie Dread den Rücken zu, um ebenfalls nach dem Ausschau zu halten, was er bereits gesehen und vor allem gehört hatte.
Hart packte Josh Dread die Frau bei den Schultern und zog das Halbblut nach hinten ins schützende Dunkel der nahe stehenden Bäume. Die Ränder der Messernarbe unter Dreads linkem Auge schienen eine leichte Rötung anzunehmen. In den hellblauen Augen aber zeigte sich keine Regung. Die Gefühlskälte, die sie ausstrahlten, war beinahe intensiver spürbar als die Kälte des Winters. Und im amerikanischen Norden konnte es bitterkalt werden, nicht selten bis zu minus vierzig Grad.
Dann plötzlich – Shannices Augen hatten sich mehr schlecht als recht auf die unterschiedlichen Abstufungen der Finsternis hinter den blakenden Flammen eingestellt – sah auch sie, was den Kopfgeldjäger zu äußerster Vorsicht gemahnte.
»Wie viele sind es?«, flüsterte Shannice, ohne den Blick von den schleichenden Schatten abzuwenden, die sie durch das Geäst fünfzig Meter voraus ausgemacht hatte.
»Fünf auf der Anhöhe.« Er atmete flach durch die Nase ein und aus. Auch sein Puls schien sich nicht beschleunigt zu haben. »Sechs oder sieben sind ausgeschwärmt.«
»Sie wissen, dass wir hier sind, nicht wahr?«
»Das Feuer hat sie angelockt. Man kann es meilenweit sehen.« Dread drückte ihr symbolisch seine Handfläche auf den Mund. »Und jetzt sei still.«
Eine halbe Minute darauf traten die fünf Männer in den Schein der langsam ersterbenden Feuerstelle, während ein gutes halbes Dutzend scharf konturierter Silhouetten hinter ihnen auseinanderfächerten und Augenblicke später mit der Düsternis des Waldes verschmolzen.
»Jetzt nehmen sie uns in die Zange«, ließ der Headhunter Shannice Starr an seinen Gedanken teilhaben. Sofort verstummte er wieder und richtete sein Augenmerk auf die Ankömmlinge. Sie hatten sich nicht sonderlich unauffällig ihrem Nachtlager genähert. Allerdings auch nicht ungewöhnlich auffallend. Wahrscheinlich hatten die Fünf im Vordergrund die Lagernden nur ablenken sollen, bis die restlichen Männer einen Kreis geschlossen hatten. Das wiederum ließ die Vermutung zu, dass die Horde sich reichere Beute erhofft hatte, als sie nunmehr vorfand. Und sicher auch eine Menge mehr Gegner, als mit einem einzigen Pferd herangeritten sein konnten.
Mürrisch stapfte der offensichtliche Anführer der kleinen Gruppe durch den nur knöcheltiefen Schnee auf Dreads Rappen zu, der
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