SHANNICE STARR (German Edition)
Frieden schenken. – Amen.«
Die Worte des Pastors klangen leidenschaftslos. Er klappte die Bibel zu, bekreuzigte sich in gewohnter Manier und drehte der Grabstätte den Rücken zu, um sich auf seinen Pritschenwagen zu setzen und hinab zur Kirche zu fahren. Zurück blieben die drei Trauernden, Billy-Bob und Frank Gilliam sowie dessen Frau Gwendoline, die Schutz in den Armen ihres Mannes suchte. Weder sie noch ihr Gatte oder der fünfzehnjährige Billy-Bob trugen Trauerkleidung. Sie konnten es sich nicht leisten. Doch was sagt das Äußere schon über den Schmerz aus, den ein Mensch im Herzen trägt?
»Mein Schatz, bitte beruhige dich«, hörte sich Frank Gilliam sagen, obwohl es ihn innerlich zerriss, wenn er das Schluchzen und erstickte Weinen seiner Frau vernahm, die ihr Gesicht an seine Brust drückte und ihn fest umklammerte, als wäre er der letzte Rettungsanker in einer Welt, die Gott so nicht gewollt hatte.
Er streichelte ihren Kopf, ließ seine Finger durch das blauschwarze, seidige Haar gleiten.
»Es tut mir ebenso weh wie dir …«
Gwendoline lockerte ihren Griff und tat einen Schritt nach hinten. In ihren grünen Augen schimmerten die Tränen, aber auch ein Ausdruck von Verständnislosigkeit.
»Er war unser Sohn!«, stieß sie hervor. »Unser Fleisch und Blut! Diese Bestien haben ihn getötet! Das weißt du!«
Frank Gilliam zuckte zusammen, als seine Ehefrau den Brief aus einer Tasche ihres Kleides zerrte, auf die Knie fiel und ihn ihm gleich einer Drohung mit beiden Händen entgegenreckte.
»Sie haben es wahr gemacht! Sie haben gesagt, sie würden es tun! Wie soll ich mich da beruhigen?« Die Frau schluckte hart und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Indes, es nützte nicht viel. Sofort schoss ihr das Wasser wieder in die Augen. »Jeremy war erst sieben Jahre alt. – Erst sieben!« Die letzten beiden Worte stieß sie voller Hysterie aus.
»Reiß dich zusammen, Gwen!«, zischte Frank. Seine Rechte war bereit zum Schlag, auch wenn er es nicht wirklich wollte.
»Dad, nein!«
Billy-Bob warf sich gegen den ausholenden Arm seines Vaters. »Tu es nicht! – Ich habe Angst …«
Frank Gilliam entspannte sich und zog seinen Ältesten an sich.
»Es tut mir leid«, flüsterte er. »Hab keine Angst. Es ist alles gut. Ich werde deiner Mutter nicht weh tun. Das … das war ganz dumm von mir.«
»Bitte … bitte hilf mir, Frank …« Gwendolines Stimme war nun wie ein leiser Hauch im Orkan aufpeitschender Gefühle. Die Augen des Farmers hingegen richteten sich auf das Grab seines Kindes, und nur er kannte die Höllenqualen, die seinen Körper peinigten. In diesem Moment waren sie drei eins. Eins mit dem Schmerz, der sie alle verband. Eins mit der Gewissheit, dass Jeremy sie für immer verlassen hatte.
»Ich, äh, hoffe, dass ich nicht ungelegen komme …« Die Worte kamen einem Keulenschlag gleich. Frank Gilliam stemmte sich aus der Hocke hoch und zog Gwendoline mit sich.
»Mayor Etherwood!«, kam es erstaunt über seine Lippen, als er in das rundliche Gesicht des stark untersetzten Mannes blickte, der wie ein Geist aus dem Nichts aufgetaucht war. »Was … was machen Sie denn hier?«
Die sechsundzwanzigjährige Gwendoline, deren hagerer Gestalt man das entbehrungsreiche Leben auf der Farm nur zu deutlich ansah, hielt den Kopf weiterhin an die Brust ihres Mannes gedrückt. Frank Gilliam spürte ihr Zittern und wusste, dass es nicht aus der Kälte, sondern aus unterdrücktem Zorn geboren war. Die junge Frau hatte nie viel von dem Bürgermeister gehalten. Und dieser Eindruck hatte sich immens verstärkt, seit er der Familie dieses zwielichtige Angebot unterbreitet hatte.
Gideon J. P. Etherwood räusperte sich übertrieben. »Ihr tragischer Verlust hat mich natürlich zutiefst betroffen gemacht. Ich wollte einfach nur sehen, ob ich Sie irgendwie unterstützen kann. Es wäre mir ein großes Bedürfnis.«
»Sie reden von unserer Farm …«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, Frank«, setzte der Mayor zu einer Erklärung an. »Ich weiß genau, dass Sie momentan andere Sorgen haben. Doch Sie sollen wissen, dass mein Angebot auch weiterhin steht. Ich denke, ich habe Ihnen einen angemessenen Preis gemacht.«
»Ich glaube nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, um –« Frank Gilliam kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Gwendoline schnitt ihm das Wort ab, und jede Silbe, die sie sagte, klang wie eine Drohung:
»Nehmen Sie Ihr Angebot und scheren Sie sich zum Teufel.« Sie sprach
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