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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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bis uns, wenn wir trostlos und starr die Arme um unsere eigenen zitternden Körper schlangen, nur noch eines blieb: der einsame Wille zu überleben.

S ECHSUNDDREISSIGSTES K APITEL
     

    I ch konnte mich dem Verlust von Khaderbhai, meinem Vatertraum, nicht stellen. Ich hatte geholfen, ihn zu begraben, Herr im Himmel, mit meinen eigenen Händen. Doch ich trauerte nicht um ihn. Es gab nicht genug Wahrheit in mir für diese Art des Schmerzes, denn mein Herz wollte nicht glauben, dass er tot war. Ich hatte ihn in diesem Winter des Krieges zu sehr geliebt, so schien es mir, um zu begreifen, dass er einfach nicht mehr da war. Wenn so viel Liebe einfach in der Erde verschwinden, nie mehr sprechen, nie mehr lächeln konnte, dann musste die Liebe nichtig sein. Und das wollte ich nicht glauben. Ich war sicher, dass es noch irgendwo ausgleichende Gerechtigkeit geben musste, und darauf wartete ich. Damals wusste ich noch nicht, was ich heute weiß: dass Liebe eine Einbahnstraße ist. Wie die Achtung ist Liebe nicht etwas, was man bekommt; sie ist etwas, das man gibt. Doch da ich das in jenen bitteren Wochen nicht wusste und nicht denken konnte, wandte ich mich von dem Loch in meinem Leben ab, wo zuvor so viel Liebe und Hoffnung gewesen war, und weigerte mich, die Sehnsucht und den Verlust zu spüren. Ich kauerte in der trostlosen bergenden Tarnung von Schnee und düsterem Fels. Ich kaute die lederartigen Fetzen Ziegenfleisch, die uns geblieben waren. Und jede Minute, die mit Herzschlägen und Hunger angefüllt war, entfernte mich weiter von der Trauer und der Wahrheit.
    Als der Fleischvorrat schließlich aufgebraucht war, wurde ein Treffen abgehalten, um unsere Optionen zu erörtern. Jalalaad und die jüngeren Afghanen wollten es darauf ankommen lassen: sich durch die feindlichen Linien kämpfen und die Wüstenregion der Region Zabul nahe der Grenze zu Pakistan ansteuern. Suleiman und Khaled räumten widerstrebend ein, dass es wohl keine andere Möglichkeit gab, wollten aber präzise Informationen über die feindlichen Stellungen haben, bevor sie entschieden, wo man den Durchbruch wagen sollte. Zu diesem Zweck gab Suleiman dem jungen Hanif den Auftrag, die gesamte Umgebung auszukundschaften – vom Südwesten über den Norden bis zum Südosten unseres Verstecks. Er befahl dem jungen Mann, binnen vierundzwanzig Stunden zurückzukehren und nur bei Nacht unterwegs zu sein.
    Für uns wurde es ein langes Warten. Kälte und Hunger setzten uns zu. Wir tranken Wasser, das aber die Qualen nur für ein paar Minuten lindern konnte; danach war der Hunger nur noch schlimmer. Aus den vierundzwanzig Stunden wurden zwei, dann drei Tage ohne ein Lebenszeichen von Hanif. Am Morgen des dritten Tages mussten wir uns damit abfinden, dass er tot oder in Gefangenschaft geraten war. Juma, ein Kameltreiber aus der kleinen tadschikischen Enklave im Südwesten Afghanistans unweit der Grenze zum Iran, erbot sich, nach Hanif zu suchen. Er war ein dunkelhäutiger knochiger Mann mit Hakennase und einem sensiblen Mund, der Hanif und Jalalaad nahestand – auf jene Art, wie Männer sie in Gefängnissen und Kriegen wider Erwarten in sich entdecken, meist ohne sie jemals durch Worte oder Gesten zum Ausdruck zu bringen.
    Jumas tadschikische Kameltreiberklans waren seit jeher Konkurrenten von Hanifs und Jalalaads Volk der Mohmand-Hazarbuz im nomadischen Transport von Handelsgütern. Im Zuge der schnellen Modernisierung des Landes verstärkte sich die Rivalität. 1920 war einer von drei Afghanen Nomade. Nur zwei Generationen später, 1970, waren nur noch zwei Prozent des gesamten Volkes Nomaden. Der Krieg hatte diese drei jungen Männer gezwungen, an einem Strang zu ziehen und die Differenzen ihrer Herkunft zu vergessen, und sie waren unzertrennliche Freunde geworden. Ihre Freundschaft hatte sich in den unerträglich ereignislosen Monaten zwischen den Kampfhandlungen entwickelt und war immer wieder im Kampf erprobt worden. In ihrem siegreichsten Kampf hatten sie mit Landminen und Granaten einen russischen Panzer zerstört, und seither trug jeder der drei an einem Lederband ein Metallstück aus diesem Panzer als Andenken um den Hals.
    Als Juma erklärte, er wolle Hanif suchen gehen, wussten wir alle, dass wir ihn nicht daran hindern konnten. Mit einem erschöpften Seufzen willigte Suleiman ein. Juma weigerte sich, bis zum Anbruch der Dunkelheit zu warten, hängte sein Gewehr um und brach unverzüglich auf. Er hatte wie wir alle seit drei Tagen nichts gegessen, aber

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