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Shardik

Titel: Shardik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Adams
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kamen in die Stadt, als die Tore eben für die Nacht geschlossen wurden, und führten Kelderek, ohne die Fragen von Kameraden und Gaffern zu beachten, zu einem Haus unter der Südmauer. Dort befragte ihn ein junger Offizier, der die Rangabzeichen von Ikat trug, zuerst auf Yeldashay und dann, als er sah, daß er kaum verstanden wurde, auf beklanisch. Darauf antwortete Kelderek, er habe eine Botschaft. Als der Offizier weiterfragte, brachte er nur mehr das Wort »Bekla« heraus, und der junge Offizier, der ihn nicht einschüchtern wollte, da der hungrige und unsaubere Mann ihm leid tat, erteilte Befehl, man solle ihn sich waschen, essen und schlafen lassen.
    Als am nächsten Morgen einer der Köche, ein freundlicher Mann, Keldereks verwundeten Arm erneut wusch, kam ein zweiter, älterer Offizier, begleitet von zwei Soldaten, in den Raum und begrüßte ihn mit direkten, höflichen Worten:
    »Ich heiße Tan-Rion«, sagte er auf beklanisch. »Du mußt unsere Eile und Neugier entschuldigen, aber für eine Armee im Feld ist die Zeit immer kostbar. Wir müssen wissen, wer du bist. Der Treisatt, der dich gefunden hat, sagt, du seist aus freiem Willen mitgekommen und hättest ihm erzählt, daß du eine Botschaft aus Bekla bringst. Vielleicht kannst du mir sagen, um welche Botschaft es sich handelt.«
    Zwei volle Mahlzeiten, eine ruhig durchschlafene Nacht und die gute Behandlung des Kochs hatten Kelderek beruhigt und einigermaßen wiederhergestellt.
    »Die Botschaft – sollte nach Bekla gehen«, antwortete Kelderek stockend, »aber jetzt – ist die beste Chance vertan.«
    Der Offizier blickte ihn verwundert an. »Nach Bekla? Dann bringst du also gar keine Botschaft an uns?«
    »Ich muß eine Botschaft abschicken.«
    »Hat deine Botschaft mit den Kämpfen in Bekla zu tun?«
    »Kämpfe?« fragte Kelderek.
    »Du weißt doch, daß es in Bekla einen Aufstand gegeben hat? Er begann vor etwa neun Tagen. Soviel uns bekannt ist, wird immer noch gekämpft. Bist du von Deelguy gekommen oder woher?«
    Keldereks Sinn verwirrte sich wieder. Er schwieg, und der Offizier zog die Schultern hoch.
    »Tut mir leid – ich sehe, du bist nicht ganz auf der Höhe – aber vielleicht ist große Eile geboten. Wir müssen dich durchsuchen – vor allem anderen.«
    Kelderek, dem Demütigung nicht mehr fremd war, wehrte sich nicht, während die Soldaten, nicht unfreundlich und mit einer Art grober Höflichkeit, ihrer Aufgabe nachkamen. Sie legten, was sie fanden, auf das Fensterbrett – eine alte Brotkruste, ein Stück Schusterleder, den Wetzstein eines Schnitters, den er vor zwei Tagen in einem Graben gefunden hatte, eine Handvoll getrocknete, aromatische Kräuter, welche ihm die Pförtnersfrau gegen Läuse und Infektionen geschenkt hatte, und einen rotgeäderten Stein, ein Talisman, der früher Kavass gehört haben mußte.
    »Schon gut, mein Freund«, sagte einer der Soldaten und gab ihm das Wams zurück. »Nur die Ruhe, gleich sind wir fertig, keine Sorge.«
    Plötzlich stieß der andere Soldat einen Pfiff aus, fluchte leise und hielt dann auf seiner geöffneten Hand wortlos dem Offizier einen kleinen, glänzenden Gegenstand entgegen, der in der Sonne glitzerte. Es war das Hirschemblem von Santil-ke-Erketlis.
     

37. Graf Einhand
     
    Verwundert nahm der Offizier das Emblem und betrachtete es, zog die Kette durch den Ring und befestigte sorgfältig den Verschluß, als wolle er sich Zeit zum Überlegen lassen. Schließlich sprach er, nicht so bestimmt wie zuvor: »Willst du mir freundlichst sagen – du verstehst sicher, warum ich es wissen muß –, ob das dir gehört?«
    Kelderek streckte wortlos die Hand aus, aber der Offizier schüttelte nach kurzer Überlegung den Kopf.
    »Bist du hierhergekommen, um mit dem Oberkommandierenden selbst zu sprechen? Vielleicht gehörst du zu seiner Garde? Wenn du es mir sagen kannst, wird das meine Aufgabe erleichtern.«
    Kelderek, dessen Erinnerung an vieles, was er seit dem Verlassen Beklas erlebt hatte, allmählich wieder zurückkehrte, setzte sich auf das Bett und vergrub sein Gesicht in den Händen. Der Offizier wartete geduldig, bis er sprach. Endlich sagte Kelderek: »Wo ist General Zelda? Wenn er hier ist, muß ich ihn sofort sprechen.«
    »General Zelda?« erwiderte der Offizier verblüfft.
    Einer der Soldaten sprach leise zu ihm, dann gingen sie zusammen an das andere Zimmerende.
    »Dieser Mann ist ein Ortelganer«, sagte der Soldat, »oder ich bin selbst einer.«
    »Das weiß ich«, sagte Tan-Rion.

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